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Im Bild: Zu müde

Es war eine jener Geschichten, die einen am Ende doch noch an das Gute glauben lassen. Am 5. August 2010 brachen im Bergwerk von San José im Norden von Chile mehrere Stollen ein und verschütten 33 Bergleute in einer Tiefe von fast 700 Metern. Eine der dramatischsten Rettungsaktionen der Bergbaugeschichte nahm ihren Lauf und wurde zum größten Medienspektakel des Jahres 2010. Der ORF zeigte am Mittwoch im "Weltjournal" eine Reportage darüber, was ein Jahr später aus dem "Wunder von Chile" geworden ist. Da erzählten die Minenarbeiter, wie draußen der Bergbauminister weinte und sie drinnen trotzdem nicht die Hoffnung aufgaben. Berührend, gescheit. In Österreich werden nicht viele Kollegen der chilenischen Kumpel die Reportage gesehen haben. Sie wurde um 22.30 Uhr gezeigt. Wer schon einmal im Morgengrauen auf die Schnellbahn gewartet hat, weiß, wie viele Menschen zwischen sechs und sieben Uhr Früh zu arbeiten beginnen. Um genug Schlaf zu bekommen, geht sich höchstens das Hauptabendprogramm aus. Mittwoch hatte der ORF den Heimatfilm "Die Landärztin" im Angebot. Nein, die Menschen sind nicht zu blöd für anspruchsvolles Fernsehen. Sie sind zu müde.