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Der Schmiege-Effekt

Dass es sich anfühlt wie ein weicher Pullover.

Guido Tartarotti
über Fernsehen und Lebensgefühl.

Was ich am „linearen“ – also herkömmlichen – Fernsehen so mag: Manchmal schmiegt es sich so exakt an mein Lebensgefühl, dass es sich anfühlt wie ein weicher Pullover. Natürlich könnte man diesen Schmiege-Effekt wesentlich treffsicherer selbst herstellen, indem man sich sein Fernsehprogramm aus Abo-Kanälen wie Netflix, im Internet und von DVDs selbst zusammenstellt. Aber für mich wäre das der halbe Spaß. Denn mir würde dadurch das Gefühl entgehen: Da hat sich jemand für mich Mühe gemacht. Deshalb schmeckt eine Geburtstagstorte, die einem jemand anderer gebacken hat, viel besser als eine, die man sich selbst schenkt.

Freitagabend hab ich oft dieses Pullovergefühl. Diesmal begann es mit dem großartigen Alex Kristan, der als Kabarettist den Blödsinn ebenso gut beherrscht wie den hinterhältig-klugen Gedankengang – und einfach so gut spielt, dass man ihm gerne zuschaut, egal, was er macht. Danach „Was gibt es Neues?“, seit Jahren erste Adresse für herrlich hemmungslose, aus der Hüfte geschossene Pointen an der Grenze zur lustvollen Niveausachbeschädigung. Dann schnell zur „ZIB2“, der besten Nachrichtensendung, und rasch wieder zurück zu „Ein echter Wiener geht nicht unter“, Ernst Hinterbergers 40 Jahre alter, hoch aktueller, brillanter, warmherziger Sozialstudie. Im Anschluss gleitet man noch, schon halb schlafend, in eine der allerbesten „Columbo“-Folgen hinüber (die, wo die Frau ihren Bruder erschießt und ihre Mutter Columbo für den Hausdiener hält), und das Wochenende hat gut begonnen.

Guido Tartarottis Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" ist am 11. September im Kabarett Niedermair zu sehen, am 27. September im Theater am Alsergrund, am 29. September in der Bühne im Hof in St. Pölten und am 5. Oktober in der Stadtgalerie Mödling.