Meinung/Kolumnen/GesMBH

Purzelbaum

Er ist stolz und einmal im Jahr beleidigt.

Karl Hohenlohe
über den Gummibaum Marika Lichters

Dies ist ein Miniatur über den Größenwahn.

Er ist kein Gummibaum wie all die anderen. Sein grün ist grüner, der Stamm gerade und die Blätter glänzen, wie poliertes Bienenwachs. Er gehört zur Wohnungsausstattung einer berühmten Österreicherin, er ist stolz und einmal im Jahr beleidigt.

Da muss er das Feld räumen, wird an die Wand bugsiert, um Platz für die vielen Berühmtheiten zu schaffen, die hier, immer kurz vor Weihnachten, zusammenkommen.

Aufgeregt reckt er dann Frau Wussow oder Herrn Serafin seine immergrünen Blätter entgegen und hofft über eine zufällige Berührung jenen Hauch von Popularität zu erhaschen, der ihn über den Weihnachtsbaum, den Kaktus und die Azaleen erhaben macht.

Einmal wurde er schon von Maximilian Schell gestreift, das hat ihm Kraft und Wachstum, auch bei Staunässe, gegeben.

Seine Besitzerin sorgt gut für ihn, er fühlt sich wohl in seinem metallenen Topf, der Dünger könnte reichlicher sein aber er will sich nicht beschweren.

Jetzt gerade sieht er Arabella Kiesbauer, er spannt jede Faser seines Inneren, öffnet die Blätter, bäumt sich auf, da macht Frau Kiesbauer eine rasche Bewegung und der Gummibaum von Frau Marika Lichter ist eines feigen Blattes beraubt.

Fassungslos liegt das Blatt auf der Erde, verendet wie Winnetou in „Winnetou III“ und der Gummibaum fragt sich, ob er sich das nächstes Jahr wieder antun soll.

Vielleicht, denkt er sich und weiß sich eins mit seiner Besitzerin.