Laute Stille
Von Karl Hohenlohe
Morgen ist man in ' Seitenblicke' und übermorgen auf dem Zentralfriedhof
über Tod, Prominentengräber und Seitenblicke.
Gerade ist der Tod wieder in aller Munde, man huldigt ihm, ehrt die gestorbenen Angehörigen mit frischen Blumen, wischt zärtlich das Moos vom Grab, und dann ist wieder ein Jahr Ruhe von der letzten Ruhe.
Am Zentralfriedhof speien die Busse Hunderte Japaner aus, vor den Prominentengräbern verharren sie nicht, sie eilen vorbei, und im Vorbeieilen schießen sie sporadisch ein Foto. Die Erinnerung an den Verstorbenen findet nicht jetzt statt, sondern erst später. Vor dem Fotoalbum. Und selbst da ist es nicht die Erinnerung an eine Person, sondern an einen Ort, eine Stadt, ein Land.
Einige Berühmtheiten haben es nicht geschafft. Sie sind schon vor der Eröffnung des Zentralfriedhofs gestorben. Sie sind nicht nur für immer von uns gegangen, sie haben den Zentralfriedhof auch noch um ihren werbewirksamen Namen beraubt und somit die Grenzen des Anstands deutlich überschritten. Als Strafe für ihr übereiltes Dahinscheiden hat man sie ausgegraben, transferiert, unter lautem öffentlichen Getöse in ein Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof gebettet. Nun werden sie von besagten vorbeieilenden Japanern fotografiert, die dann wiederum zu Hause rätseln, wer sich hinter dem Buchstabenwirrwarr " Johann Strauß" eigentlich verbirgt und wo sich die Ortschaft "Vater" befindet.
Heute wird man geboren, morgen ist man im Fernsehen prominent in "Seitenblicke" und übermorgen auf dem Zentralfriedhof. Die Prominenten in Österreich wiegen sich zu Recht in Sicherheit: Denn sind sie es nicht längst schon zu Lebzeiten, garantiert man ihnen zumindest nach ihrem Tod das ewige Leben als schöne Leich’.