Meinung/Kolumnen/GesMBH

Körperwelten

Heute kann man auch ein Star werden, wenn man den Arm verliert.

Karl Hohenlohe
über den Mann mit abgetrenntem Arm

Heute kann man ohne Talent ein Star werden. Man tritt in einer Casting-Show auf, man sorgt für einen Skandal, man zeigt sich nackt oder man gewinnt etwas.

Heute kann man aber auch ein Star werden, wenn man etwas verliert, den Arm zum Beispiel.

Die Vorgeschichte ist bekannt, Herr A. hat sich unbeabsichtigt seinen Arm abgetrennt, ihn in den Kofferraum gepackt, ist 17 Kilometer zum Spital gefahren und scheint gerettet.

Herr A. und sein Arm sind guter Dinge. Umgehend wurden die beiden zu Lieblingen der Medien. Herr A. lächelt in die Kameras und wenn er es könnte, würde es der Arm von Herrn A. auch tun. Sogar ein Fernsehteam ist zu den beiden vorgedrungen, ein Interview.

Herr A. spricht besser Deutsch als fast alle von uns Ungarisch, aber er tut sich ein wenig schwer. Gestern noch ein Niemand und jetzt auf allen Titelblättern, gestern noch einarmig und heute wieder komplett, gestern noch ohnmächtig und heute auch. Woran er sich noch erinnern könne? An den staubigen Arm oder war es der Arm im Staub. Ja, und der Portier hat ihn abgewiesen, er konnte ja seine Verletzung nicht sehen, die Einfahrt in die Parkgarage, mit der übriggeblieben Hand hat er noch ein Parkticket gezogen.

Herr A. lächelt während des Interviews, dann weint er und irgendwann hat man das Gefühl, er weint auch, wenn er lacht. Ob er einen Wunsch hat? Nach Hause, sagt Herr A., der bald schon kein Star mehr sein, aber berühmt bleiben wird, für den vielleicht stärksten Lebenswillen der Welt.