Meinung/Kolumnen/GesMBH

Ges.m.b.H.: May im März

Gestern vor 100 Jahren ist also Karl May gestorben.

Jener Karl May, der meine Kindheit so positiv begleitete und mich dann, aus heiterem Himmel, plötzlich in den Abgrund stürzte.

Das Œuvre von Herrn May konnte mich nie fesseln, ganz im Gegenteil, die Rapid-oder-Austria-Wien-Entscheidung, will man also als Cowboy oder doch als Indianer durch das Leben gehen, lag wie ein Schatten über dem Volksschulalltag und erst, als ich zu Hause in einem alten Karton eine noch ältere Fotografie entdeckte, ging die Sonne wieder auf.

Das bräunlich eingefärbte Bild zeigte einen Mann mit Bart, neben ihm eine Frau und darunter hatte sich der weltberühmte Autor eigenhändig mit Tinte verewigt: "Karl May".

Ich war damals das weltweit wahrscheinlich einzige Kind, das eine unterschriebene Aufnahme von Karl May und seiner Frau besaß, die Cowboy-oder-Indianer-Entscheidung hatte für mich aus einem Grund keine weitere Bedeutung: Ich war Gott, Wigwam oder Fort waren gestorben, der Himmel mein bevorzugtes Refugium.

So vergingen die goldenen Jahre, bis ich eines Tages wieder einen alten Karton durchforstete und mir plötzlich zahllose unterschriebene "Karl May"-Aufnahmen entgegenpurzelten.

Da plötzlich dämmerte es mir, das war nicht Karl May mit seiner Frau, sondern die Schwester meiner Großmutter, die "May" gerufen wurde, daneben ihr Ehemann "Karl", Großvater des heutigen tschechischen Außenministers.

Die meisten empfinden den Übergang vom Kind zum Jugendlichen als etwas Fließendes, andere können ein genaues Datum nennen.

 

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