Meinung/Kolumnen/Chaosdeluxe

Fuck Krise!

Den Jungs entlockt unsere „Fuck Krise“-Attitüde durchaus sowas wie Respekt.


über ominöse Wortgespenster

Ziemlich hohe Gegenwindstärke, rein wirtschaftlich. Und aus den Fugen kriecht die Angst wie ein Nervengas. Früher kannte ich keine arbeitslosen Menschen; inzwischen durchleben auch ein paar meiner Freunde solche „transition periods“, wie die Amis diesen Zustand in ein mildes verbales Licht tauchen. Wortgespenster wie Kürzungen, Teilzeitlösungen, Anpassungsmaßnahmen geistern durch unsere Gespräche. Wir basteln Down­shifting-Listen. Festnetz adieu, Perlendienste auf die Hälfte reduzieren, Auto-Vintage (= Auftragen der eigenen alten Sachen), Anschaffung eines Fahrrads, Urlaub vielleicht diesmal als Olivenerntehelferin in der Toskana, Bücher-Tausch etc. Wenn zu viel gejammert wird, brülle ich in die Runde „Hey, Leute, wir leiden aber noch auf ziemlich hohem Niveau!“ Und schenke etwas vom gestreckten Billig-Prosecco nach. Meine Freundin W, die in ihrem 15-Euro-Kleid aus dem Humana-Fundus auch noch aussieht wie eine Göttin, erhebt das Glas und flötet „Auf die Abschaffung der Angst!“ Den Jungs in unseren Runden, die sich für unseren Geschmack zu sehr im Leo der inneren Resignation verkriechen, entlockt unsere „Fuck Krise“-Attitüde durchaus sowas wie Respekt ab. „Ok“, seufzt der eine, „machen wir’s doch wie Berlin: Arm, aber sexy.“ Der Fortpflanz, für den alle Mitbürger jenseits der 28 Lenzchen das Odeur von Friedhofs-Deserteuren verströmen, schickt uns mitleidige Blicke. „Sei nicht so arrogant, Paris-Marie-Antoinette Hilton“, fauche ich, „wir haben wenigstens schon 30 Jahre erfolgreich über unsere Verhältnisse gelebt; jetzt ist eben Hungertuch angesagt, aber mit Monogramm.“ Und wie immer bewahrheitet sich auch diesmal der schöne Satz von unserem Hausheiligen Loriot: „Das, was am Leben komisch ist, sind die Krisen. Alles, was nicht Krise ist, ist nicht komisch.“

polly.adler(at)kurier.at

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