Meinung/Kolumnen/Chaosdeluxe

chaos DE LUXE: Milchzucker-Ehen

Wir machten uns bereit für eine Hochzeit, die den Untertitel "Unpackbar" trug. H, ein flamboyanter Mann im Mittelteil seiner besten Jahre, parkte sich also ein. Aber mit was für einer Sparring-Partnerin! Die Dame war so unscheinbar, dass man ihr einen Feuer speienden Drachen auf ihre Stirn tätowieren müsste, um sich an ihr Gesicht zu erinnern. Sie lächelte meistens milde, wahrscheinlich war sie schon auf der Säuglingsstation mit diesem milden Lächeln gelegen, und beendete nahezu jeden Satz mit der Bemerkung "Sehr nett übrigens". Sie trug Twinsets an Zuchtperlenketten. Upper-class-Handarbeitslehrerinnen waren bislang nie in Hs Beuteschema gefallen. "Erklär es mir bitte", bat ich seine Herzensfreundin, die mir netterweise einen dramatischen Hut für die Veranstaltung lieh. "Vielleicht ist sie eine absolute Granate im Bett", warf F ein, "von der wir noch was lernen könnten." Die Herzens­freundin schüttelte den Kopf: "Er hat es mit dem Blutdruck." – "Und deswegen muss man eine Packung Milchzucker heiraten?" – "Sie ist sehr lieb. Wirklich. Und er ist durch mit den Drama-Prinzessinnen." H hatte immer unter den schönsten Frauen gewildert – und dort vor allem in der Abteilung "Fantastisch aussehende Nervenbündel mit pathologischer Aufmerksamkeitsproblematik". Das letzte Exemplar aus dieser Rubrik hatte immer wieder mit Buttermesserchen an den Pulsadern gespielt, das echte Massaker aber mit Hs Kreditkarte angerichtet. Als er das nicht so tosend fand, ritzte sie die Worte "Kleingeistiger Erbsen­zähler" mit Nagelfeile in seinen Vintage-Mercedes.So gesehen war die Zuchtperle wahrscheinlich irgendwie logisch. Wir tranken also auf Hs Blutdruck und den alten Oscar Wilde, der schon immer gewusst hatte: "Frauen heiraten, weil sie neugierig, Männer weil sie müde sind."

www.pollyadler.atpolly.adler(at)kurier.at

Alle Inhalte anzeigen

Kürzlich erschienen: der erste Polly-Adler-Roman "Venus im Koma"

Weiterführende Links