Hallo, innere Franzosen
Von Polly Adler
Französische Emailletöpfe sind meine neuen Schuhe. Ich gebe horrendes Geld für diese Dinger aus. Ich bilde mir ein, dass ich dann so französisch wirke wie diese für Tötungsdelikte sicherlich bestens geeigneten Teile. Dieses Faible hat seine Wurzel in einer Konsumüberdosis an französischen Tragikomödien: Dort thronen solche Töpfe, gefüllt mit geschmorten Kaninchen oder Thymian-Zitronen-Kapaunen, häufig auf Freilufttafeln in der Bretagne oder der Provence, um die sich eine hoch neurotische, reichlich promiske und hedonistisch versaute Mischpoche zu fünfstündigen Fressgelagen an Schreiduellen und reichlich Alkohol rottet. Unter dem Tischtuch macht sich dann noch ein wunderschöner, aber extrem introvertierter Cousin an den Strumpfbändern der Verweigerungs-Zickerei simulierenden Hausfrau zu schaffen, während Papa sich noch ein drittes Mal von der Erdbeer-Pavlova nimmt, um dann sturzbetrunken auf den Tisch zu kippen. So habe ich mir echtes, pralles und erstrebenswertes Leben immer vorgestellt. Und tue es bis heute. Deswegen koche ich so gerne für viele, viele Menschen. Das endet dann natürlich in einem furchtbaren Chaos, weil ich zwar ambitioniert, aber nicht organisiert bin. Die Gäste kommen und ich habe noch die Heizwickler in den Haaren, muss Kräuterbouquets zur Aromatisierung des Bratens flechten und das Mürbteig-Desaster minimieren. Ich frage mich, wie diese Facebook-Streberinnen, die ihre perfekt gedeckten Tische und adretten Gerichte vor der Invasion der Besucher auch noch in aller Ruhe posten, ihr Zeitmanagement gebacken kriegen. Andererseits, gab es je charmantere und französischere Momente in meinem Leben, als in der Küche unter Begleitung von Kochachterln im Kollektiv zu hacken, schmoren und sich über Gewürzkombinationen in die Haare zu kriegen? Denn den Pünktlichen gehört nämlich vielleicht die Welt, aber sicherlich nicht das Vergnügen. Santé! Und herzen Sie mir Ihren inneren Franzosen.polly.adler@kurier.at