Quergedacht: Ronaldos merkwürdig blasse Auftritte
Von Paul Scharner
Heute hat die WM ihren ersten Schlager: Spanien gegen Portugal, oder Weltmeister 2010 gegen Europameister 2016.
Die Gruppe B (mit den Außenseitern Marokko und Iran) ist für mich eine der drei interessantesten. Neben Gruppe D (mit Argentinien, Island, Kroatien und Nigeria besonders ausgeglichen) sowie Gruppe G mit Belgien und England – aber dazu später.
Vor dem ersten Auftritt der Spanier ist die große Frage: Wie stark wirkt sich der plötzliche Rauswurf von Teamchef Julen Lopetegui aus? Nur um sich diesen unglaublichen Vorgang besser vorstellen zu können: Österreich qualifiziert sich souverän für die EM 2016, Marcel Koller unterschreibt bei einem Verein für die Zeit nach dem Turnier, muss als Teamchef deswegen zwei Tage vor dem Match gegen die Ungarn gehen und Sportdirektor Ruttensteiner übernimmt.
Unglaublich? Oder nur mit verletztem Stolz zu erklären?
Lopeteguis Entscheidung für Real hätte den spanischen Verband tatsächlich vor Probleme gestellt: In Madrid steht ein Umbruch an. Die Superstars Ronaldo und Bale haben angekündigt, dass sie gehen könnten. Das Turnier dauert aber bis zum 15. Juli, bei der Klasse der Spanier muss eine Finalteilnahme das Ziel sein.
Kann also der Teamchef ernsthaft sagen: Ab 16. Juli reden wir über Ronaldo und Kollegen, davor bin ich nur für Spanien da? Oder hätte der Verband fürchten müssen, dass Lopetegui nur noch mit halbem Fokus und eingeschränkter Energie da ist? Ob die Notvariante mit Sportdirektor Hierro die richtige Antwort ist, wird das Turnier zeigen.
Missglückte VorbereitungVielleicht zeigt es auch schon das Duell mit Ronaldos Portugiesen. Wobei auch der nicht die beste Vorbereitung hatte: Sowohl das Halbfinale der Champions League gegen die Bayern als auch das Endspiel gegen Liverpool bleiben nicht wegen des Stürmers in Erinnerung, das waren merkwürdig blasse Auftritte.
Portugal zählt auch aus einem anderen Grund nicht zu meinen Top-Favoriten bei der WM: Erinnern Sie sich noch an den Start bei der EM in Österreich? Die Gruppe wurde nur mit Glück und mit drei Remis überstanden, noch einmal geht das nicht gut.
Meine Tipps sind andere, nämlich klassische „Geheimfavoriten“: Belgien und England, die anfangs erwähnten Konkurrenten aus Gruppe G.
Belgiens Teamchef Roberto Martinez habe ich kürzlich in Wigan bei einer Charity-Gala getroffen, wir haben aber nicht nur über den gemeinsamen FA-Cup-Sieg 2013 gesprochen. Mehr dazu in einer anderen Kolumne – ebenso wie über mein Gespräch mit Dan Ashword. Der FA-Sportdirektor war damals Sportchef bei West Bromwich und hat mich von Wigan geholt. Seine Erklärungen zum radikalen Cut der Engländer klingen vielversprechend.