Meinung

Der Stürmer, das bedrohte Wesen

Deshalb freue ich mich besonders über jedes Tor von Mario Mandzukic

Jan Åge Fjørtoft
über klassische Stürmer und "falsche Neuner"

Nach meiner ersten Nacht als Rapid-Spieler war eigentlich klar, dass ich ein echter Goalgetter werden muss: Ich habe zum ersten Mal unter Hans Krankl trainiert und außerdem in der Bettwäsche des legendären Franz „Bimbo“ Binder geschlafen.

Wie es 1989 dazu gekommen ist? Franz Binder junior, der Sohn des sechsfachen Torschützenkönigs, war damals Sektionsleiter. Ich kam nach Mauerbach, in eine Wohnung ohne Bettzeug. Binder fragte seine Mutter, ob sie helfen könne. Für sie war klar, dass ich eine Decke und eine Bettwäsche aus dem Haus des großen „Bimbo“ verwenden durfte.

Ähnlich außergewöhnlich verlief das erste Training mit dem „Goleador“: Er flankte zur Mitte, ich sollte direkt verwerten. Nach einigen Minuten hatte Hans Krankl genug: Ich musste auf ihn flanken – und der „graue Bomber“ zeigte mir, was er unter einem echten Mittelstürmer versteht.

Nach 85 Toren in 156 Spielen für Rapid wechselte ich 1993 zu Swindon. Und ich bin froh, dass ich 2013 nicht mehr stürmen muss.

So schwer wie heute hatten es klassische Stürmer mit guter Trefferquote, aber überschaubarer Laufleistung (wie ich einer war) noch nie. Wird der „falsche Neuner“, also ein variabler, offensiver Mittelfeldspieler an vorderster Front die Zukunft sein? Ich hoffe und glaube nicht.

Bekannt gemacht hat diese Variante Pep Guardiola bei Barcelona mit Lionel Messi. Man darf dabei aber nicht vergessen: Mit Messi in einer Mannschaft ist das System nicht entscheidend. Da zählt nur, weniger Tore zu bekommen als er vorne macht.

Jetzt flirtet Guardiola auch in München mit dieser Idee. Müller könnte den falschen Neuner geben, oder auch Götze. Deshalb freue ich mich besonders über jedes Tor von Mario Mandzukic. Der Kroate arbeitet sehr viel, weicht auf die Flügel aus (was er in seiner Zeit bei Dinamo Zagreb gelernt hat) – aber er ist auch noch ein echter Stürmer mit Zug zum Tor.

In Deutschland wird bereits diskutiert, was mit Robert Lewandowski nach seinem anstehenden Transfer zu den Bayern passieren wird. Braucht Guardiola Dortmunds Mittelstürmer überhaupt? Ich sage: Mit Lewandowski werden sie noch stärker. Der Pole ist international der modernste Stürmer. So wie Ronaldo und Messi ist er Goalgetter und Spielmacher in einem. Er zieht sich immer wieder geschickt zurück und spielt sogar einen „falschen Zehner“.

Der Verzicht fällt schwer

Ähnlich agieren bei ManUnited Rooney und Van Persie. Während Monacos 60-Millionen-Mann Falcao derzeit der Beste unter den klassischen Mittelstürmern ist.

Wie ich höre, gibt es auch bei Rapid mit Burgstaller einen falschen Neuner und mit Boyd einen echten Mittelstürmer. Ich glaube, dass es nur für die weltbesten Teams auf Dauer sinnvoll ist, ohne echten Stürmer zu spielen.

Mannschaften, die nicht alles mit spielerischer Leichtigkeit lösen können (und das sind 99 Prozent), werden auch in Zukunft einen echten Stürmer benötigen. Einen, der weiß, wo das Tor steht und es dann auch trifft.

Jan Aage Fjörtoft ist TV-Experte bei Sky und analysiert die Topspiele der Deutschen Bundesliga. Diesen Samstag: FrankfurtWolfsburg, ab 17.30 Uhr live und exklusiv auf Sky Bundesliga HD 1.