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In der Affäre Wulff fehlt das Bunga Bunga

Leider langweilig - zumindest aus österreichischer Perspektive.

Karl Oberascher
über das Dokudrama zur Affäre Wulff

Die Idee hat schon was. Politische Skandale der jüngeren Vergangenheit werden künftig nicht mehr via Untersuchungsausschuss aufgeklärt - die werden sowieso abgedreht - sondern als Dokudrama im TV. So gesehen gestern bei "Der Rücktritt" auf Sat 1. Zwei Stunden lang konnte man dem ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff (Kai Wiesinger) dabei zusehen, wie er sich immer weiter ins politische Aus manövrierte.

Eine spannende Idee, die Sat 1. bereits vergangenes Jahr mit der Satire "Der Minister" (damals im Fokus: der ehemalige Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg) entwickelte. Diesmal entschied man sich, die Ereignisse aus dem Jahr 2012 in einem Dokudrama aufzuarbeiten. Leider. Dramaturgisch war das nämlich langweilig - zumindest aus österreichischer Perspektive.

Kein Vergleich

Denn dieser Wulff hat weder Geldkoffer über die Grenze gebracht, sich als willfähriger Lobbyist angeboten; oder als kleiner Landeskaiser wild mit Steuergelder um sich geworfen; und natürlich hat er im Schloss Bellevue auch keine Bunga-Bunga-Feste weglächeln müssen.

Dieser vergleichsweise geradezu biedere ehemalige Ministerpräsident aus dem schönen Niedersachsen musste auch nicht abtreten, weil er Kai Diekmann, dem Chefredakteur der Bild-Zeitung, entrüstet auf den Anrufbeantworter gesprochen hatte; oder weil er sich von einem Freund und Unternehmer Geld geborgt hatte; und noch nicht einmal, weil er sich von reichen Geschäftsmännern auf Urlaube einladen hat lassen. Nein, er musste als Bundespräsident abdanken, weil er das alles nicht von Anfang an zugegeben hatte.

Da ist es dramaturgisch nur allzu verständlich, dass Sat.1 in der filmischen Aufarbeitung und in der darauf folgenden Doku "Der Fall Christian Wulff" das Hauptaugenmerk auf das tragisch Privatleben Wulffs legte und zeigte, welchen Einfluss dieser Skandal auch auf die Ehe zwischen ihm und seiner Frau Bettina hatte.

Thriller oder Farce

Aber jetzt stelle man sich einmal vor, die Geschehnisse, die sich in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 2009 abgespielt haben, würden verfilmt werden. Als Thriller vielleicht: Ein abgebrühter Finanzminister Josef Pröll (Vorschlag: Erwin Steinhauer) wagt sich ohne Anwälte in die Höhle der bayerischen Löwen und schafft es, die drohende Insolvenz der unglaublich systemrelevanten Hypo Alpe Adria mit einer Notverstaatlichung abzuwenden. Er und Werner Faymann (vielleicht Florian Scheuba?) können sich feiern lassen und HC Strache (bitte unbedingt Georg Friedrich) muss weiter darauf warten, einmal Kanzler zu werden. Das wäre mal spannend. Garantiert. Und jedenfalls unterhaltsamer als dieses Doku-Drama um Christian Wulff.

Wahrscheinlich sollten sich etwaige Drehbuchautoren aber doch eher an die Realität halten und daraus eine bittere Farce, eine schmierige Komödie mit fahlem Beigeschmack drehen. Aber vielleicht erledigt diese Aufgabe ja doch noch ein Untersuchungsausschuss.

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Bilder: Die Affäre Wulff als TV-Event

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