Baba Asim: Der unermüdliche Flüchtlingshelfer von Bihać
Von Dennis Miskic
“Bei Menschen gibt man nie auf. Ich werde niemals aufgeben!”, sagte Asim Karabegović. Seine Aussage würdigten 200 Personen, die der Podiumsdiskussion und Spendenaktion der SOS Balkanroute am Sonntag beiwohnten. Dem gebürtigen Bosnier sei es “im Blut zu helfen.” Er setzt sich schon seit fünf Jahren für Geflüchtete an der EU-Außengrenze ein.
Karabegović lebt und arbeitet in Bihać, einer Kleinstadt im Nordwesten Bosnien-Herzegowinas mit etwa 60.000 Einwohnern. Bekannt ist die Stadt für ihre wunderschönen Wasserfälle und den urigen Wildfluss Una, der durch Kroatien und Bosnien-Herzegowina fließt. Spätestens seit 2018 ist Bihać aber für viele als die letzte Station für Migranten vor den EU-Außengrenzen bekannt geworden.
Die prekäre humanitäre Lage und die anfängliche Überforderung der lokalen Politik haben immer wieder für schreckliche Bilder aus den dort notdürftig errichteten Flüchtlingslagern Lipa und Vučjak gesorgt. “Die Behörden haben anfangs die ganze Situation um die Flüchtlingskrise nicht verstanden. Sie waren nicht bereit dafür und auch nicht organisiert”, sagt “Baba Asim”, wie er von den Migranten aus Respekt und wegen seiner Hilfsbereitschaft genannt wird. Baba sei in Muttersprachen vieler Geflüchteten die Bezeichnung für Vater, erklärt er.
Unermüdlicher Einsatz
Im Frühjahr 2018 hat er angefangen, sich für die Geflüchteten einzusetzen. Mit seinem kleinen Lebensmittelshop im Stadtzentrum hat er geholfen, wo er nur konnte. Viele seiner Kollegen in Bihać haben Kleidung oder Lebensmittel hergegeben, die er an die Migranten, die in der Nähe seines Shops Unterschlupf gefunden haben, verteilt hat.
Ein Jahr später hat sich eine Helferin der österreichischen Initiative SOS-Balkanroute bei ihm gemeldet. Seitdem arbeiten sie gemeinsam daran, die Migranten an den EU-Außengrenzen, speziell an der kroatisch-bosnischen sowie der ungarisch-serbischen Grenze, zu unterstützen.
Jährlich werden in ganz Österreich Spendenaktionen organisiert, die an hilfsbedürftige Migranten weitergegeben werden. Gesammelt werden vor allem Schlafsäcke, Jacken und Schuhe. Alles was warm hält und einen auf das “Game” vorbereitet. “Sie wollen kein Geld, sondern brauchen Kleidung, damit sie nicht erfrieren”, sagt Karabegović im Gespräch mit dem KURIER.
The Game
Mit “Game” ist der gefährliche Versuch, die EU-Außengrenze zu überqueren, gemeint. Die Migranten werden von der kroatischen Polizei aufgefangen und wieder nach Bosnien-Herzegowina zurückgedrängt bzw. “gepusht”. Viele werden von der Polizei brutal zusammengeschlagen und ausgeraubt.
Nach den Pushbacks kommen die oft erschütterten und traumatisierten Migranten zu seinem Lebensmittelladen und suchen Trost. “Sie kommen nicht zu mir, weil sie etwas bestimmtes brauchen, sondern um ihr Leid zu teilen.” Er bietet dennoch etwas zum Essen oder Trinken an - und spendet Trost.
Die Geflüchteten versuchen es alle mehrmals und kommen immer erschüttert von dem “Game” zurück. “Einer wurde 52 Mal zurückgepusht. Er hat trotzdem nie aufgegeben und es beim 53. Mal über die Grenze geschafft”, erzählt Baba Asim.
Mensch(lich) sein
Zu denjenigen, die es über die Grenze schaffen, versucht Baba Asim, Kontakt zu halten. Stolz zeigt er Bilder von seinem Enkelsohn in den Armen eines ehemaligen Geflüchteten her.
“Er ist vor drei Jahren über die Grenze gekommen und hat mich letztens besucht. Es hat mich so gefreut, dass ich fast ohnmächtig geworden bin. Ich hoffe, dass es noch viele solcher Fälle geben wird. Sie sollen sich wieder menschlich fühlen und ein normales Leben führen”, sagt Baba Asim abschließend.
Über die gewaltvollen Pushbacks an den Außengrenzen wird schon seit Jahren berichtet. Das Border Violence Monitoring Network (BVMN) ist ein Netzwerk, das Abschiebungen, andere Menschenrechtsverletzungen und weitere Formen von Gewalt gegen Menschen in Bewegung an und innerhalb europäischer Grenzen verurteilt.
Indem sie Gespräche mit von Pushbacks betroffenen Migranten dokumentieren und Beweise sammeln, wollen sie “Täter und Helfer zur Verantwortung ziehen” und so ein größeres Bewusstsein für dieses Thema in der europäischen Gesellschaft erwecken.
In insgesamt vier Bändern haben sie auf über 3.000 Seiten die systematisierte Gewalt an den EU-Außengrenzen dokumentiert. Die Erfahrungen der Betroffenen stehen für sie im Mittelpunkt. Einer der vielen Fälle dokumentiert einen Pushback von Kroatien zurück nach Bosnien-Herzegowina vom 12. Jänner 2018:
“Der Befragte wurde von 4 Polizisten angegriffen. Die 4 Beamten verprügelten und traten ihn. Sie schlugen ihn mit Schlagstöcken auf seinem Rücken, Armen und Beinen. Als Folge dieses Angriffs brach sein linker Fuß. Die Beamten schlugen auch die anderen Menschen in seiner Gruppe, einschließlich 2 Minderjähriger. Sie nahmen ihr Wasser und gossen es aus. Sie zeigten auch ihre Waffen und drohten, dass sie getötet werden würden, wenn sie jemals zurückkämen. Dann wurden sie an der bosnischen Grenze abgeschoben und in einem nahegelegenen Wald zurückgelassen. Während der Gewalttaten und der Abschiebung wurden sie ständig von den Beamten beleidigt.”