Leben/Gesellschaft

Wien-Marathon: Dieser Mann lief jedes Mal durchs Ziel

„Es lässt sich in meiner Altersklasse einfach nicht mehr vermeiden, dass ich wieder am Stockerl stehe.“ Erklärt Dietmar Langer mit einem spitzbübischen Lächeln. Langer geht am kommenden Sonntag als Ältester an den Start des Vienna City Marathons.

Man wird den 77-Jährigen bei der Live-Übertragung nicht bewundern können. Auch die anderen drei ambitionierten Marathonläufer nicht, für die der KURIER heute einen roten Teppich ausrollt. Dennoch ist Langer Favorit in seiner Altersklasse (75 Jahre und älter).

Ein topfitter Senior

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Der Strasshofer weiß genau, was seine Leistung wert ist: „In meinem Alter ist die Konkurrenz schon ziemlich überschaubar.“ Um am Sonntag unter die ersten Drei in seiner Altersklasse zu laufen, muss er dennoch wieder eine Zeit um die vier Stunden schaffen. Dafür trainiert er drei bis vier Mal pro Woche – oft auch mit den deutlich jüngeren Nachbarn vom örtlichen Laufclub.

Seine Trainingssteuerung bewertet der topfitte Senior als sehr behutsam: „Gut, ich habe halt nicht mehr die jüngste Karosserie. Wichtiger als das Training ist in meinem Alter schon die Einhaltung der deutlich längeren Regenerationsphasen.“

Nebenbei wundert sich Dietmar Langer über die Leiden der Jüngeren: „Mir ist schon klar, dass ich Glück mit meinen Genen habe. Aber vierzig Prozent der Fitness kann man durch gesunden Lebensstil beeinflussen. In diese vierzig Prozent muss man investieren. Der durchschnittliche Mitteleuropäer begeht jedoch Selbstmord mit Messer und Gabel.“

Running Omama

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Vorbildlich sind auch die Leistungen der Niederösterreicherin Brigitte Heinz. Ihre persönliche Bestzeit (drei Stunden, 56 Minuten) ist sie im Jahr 1994 gelaufen. Heute setzt die 59-Jährige andere Prioritäten: „Wichtig ist, dass mir im Ziel das Bier schmeckt und ich am Montag arbeiten gehen kann.“

Brigitte Heinz pendelt täglich von Traisen nach Wien, um in der Arbeiterkammer Menschen in Steuerfragen zu beraten. Sie ist Mutter von zwei sportlichen Söhnen und sorgt auch bei ihren vier Enkelkindern für große Augen. Wer von ihren Freunden kann sonst erzählen, dass die Omama noch regelmäßig Marathon läuft!

Am Sonntag geht Frau Heinz zum dreißigsten Mal in Wien an den Start – und möchte zum 25. Mal das Ziel erreichen. Dafür hat sie sich auch in diesem Jahr gewissenhaft vorbereitet: „Am Wochenende bei uns draußen und dann unter der Woche vor der Arbeit, auf den Laufstrecken Wiens.“ Dies erfordert unter anderem, dass sie um 5 Uhr in der Früh ihre Bettruhe beendet.

Das Schöne am Laufen beschreibt Frau Heinz so: „Das ist für mich ein idealer Ausgleich zum täglichen Pendeln. Man kann abschalten, man ist körperlich fitter und kann auch längere Arbeitszeiten leichter wegstecken.“

König der Dauerläufer

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Der Star unter all den namenlosen Siegertypen ist der 62-jährige Bankmanager Franz Gschiegl, der alle bisherigen Marathonläufe in Wien (34) beendet hat. In der fiktiven Gesamtwertung (alle 34 Rennen zusammengezählt) führt er – mit 111:19 Stunden und gut einer Stunde Vorsprung auf den Zweiten.

Viel Konkurrenz hat der Dauerläufer-König von Wien nicht (mehr). Denn der „Club 34 “ist mit nur acht Teilnehmern mehr als exklusiv. Gschiegl, der am Liebsten in den Wäldern rund um Pfaffstätten trainiert, kann mehr als einen Grund nennen, warum er 43 Paar Sport-, davon 17 Paar Laufschuhe, besitzt. Für ihn der wahrscheinlich wichtigste: „Laufen ist eine von wenigen Sportarten, die man zu jeder Tageszeit, an jedem Ort ausüben kann.“

Dass dem Sport an sich auch ein Suchtfaktor innewohnt, weiß einer, der mit 200 Trainingstagen pro Jahr die Basis für seine Erfolge legt, nur allzu gut: „Eine Woche ohne Bewegung geht gar nicht, am dritten Tag ohne Sport werde ich unrund.“ Das wisse übrigens auch seine Frau, die ihn gerne laufend begleitet, aber daneben ebenso gerne Theater spielt.

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Auch im „Club 34“ wird der Simmeringer Herbert Christian geführt. Auf die Frage, den wievielten Marathon er am Sonntag in Angriff nehmen wird, sagt er wie aus der Pistole des Starters geschossen: „Das 35. Mal.“ Und mit einer leichten Zeitverzögerung: „Mehr waren es ja bisher noch nicht.“

Menschen wie Herbert Christian lösen bei anderen Neid oder Bewunderung aus. „Ich bin kein Trainingsweltmeister“, gibt der 70-Jährige zu. Womit er natürlich ein wenig tiefstapelt. Denn wenn er erneut unter der 4-Stunden-Grenze bleiben will, schafft er das nur, wenn er vier bis fünf Mal zum Training in die Hauptallee fährt. Christian ist nebenbei fünf Mal in New York, ein Mal in Chicago, ein Mal in Berlin und ein Mal auf Mallorca gelaufen. Sein Resümee: „Der imposanteste Marathon ist ganz sicher der in New York, aber der Schönste ist doch der Wiener.“

Als Junger ist er nach drei Stunden durchs Ziel gelaufen, heute ist ihm die Zeit „in Wirklichkeit wuaschd“. Die Devise lautet für ihn: „Durchkommen.“ Und das ist spätestens ab Kilometer 35 ein harter Kampf mit dem inneren Schweinehund. Den er bisher immer gewonnen hat. Aus folgendem Grund: „In der Sekunde, in der du durchs Ziel läufst, ist die ganze Quälerei vergessen.“