Verschwörungstheorien: Wahr oder Wahn?
Von Bernhard Praschl
Kultbuch "Illuminatus!"
Verfasst hat er sie gemeinsam mit Robert Shea, vermutlich in illuminiertem Zustand. „Illuminatus!“ avancierte zum Kultbuch der Hippie-Ära, da es mit zahllosen Sex- und Drogenerfahrungen zweier fiktiver Cops garniert ist. Weil das Werk so nebenbei als Nachwirkung der Attentate auf die Kennedy-Brüder und die Watergate-Affäre entstand, begründete es darüber hinaus das Genre der Verschwörungsliteratur. Hippie-Guru Timothy Leary war begeistert. „Bedeutender als Ulysses“, befand er.
Wilson aber konnte auch anders. Lange vor dem Rätselraten über die Hintergründe der Terroranschläge vom 11. September 2001 veröffentlichte er – mit deutlichem Augenzwinkern – ein „Lexikon der Verschwörungstheorien“. 1998 war das, und dieser Tage wurde das Standardwerk endlich wieder neu aufgelegt. Mehr als 500 Theorien sind darin versammelt. Abstruse wie jene von der „American Dynasty“, die behauptet, dass bis zu 21 der früheren US-Präsidenten nahe verwandt waren. Oder die auch nicht gerade seriöse vom „Sirius-Rätsel“: Demnach sind vor 4.500 Jahren Besucher vom Stern Sirius im Mittleren Osten gelandet und haben ihr Wesen auf der Erde hinterlassen.
Noch ein Beispiel? Unter „W“ findet sich ein Eintrag zu einer gewissen Marilyn Walle. Unter dem Künstlernamen Delilah „arbeitete sie als Stripperin in Jack Ruby’s Carousel Club in Dallas. Sie hatte vor, ein Buch über geheime Vorgänge im Zusammenhang mit dem JFK-Attentat zu schreiben, wurde aber am 1. September 1966 erschossen“. Nur Zufall? Möglich. Aber so ist das eben mit Verschwörungstheorien. Nichts Genaues weiß man nicht.
Von Autor Robert Anton Wilson hingegen weiß man, dass er Anfang 2007 an den Folgen des wiedergekehrten Post-Polio-Syndroms gestorben ist. Zuvor sprach er in einem Interview über die Gründe für eine Konjunktur der Verschwörungstheorien, gerade nach den Anschlägen auf die Twin Towers in Manhattan. Wilson: „Das ist ja überhaupt einer der Grundzüge des Verschwörungsdenkens: dass Leute nach Erklärungen für Dinge suchen, die sie nicht verstehen. Und das macht Verschwörungstheorien für diese Geister so attraktiv. Um eine etwas objektivere Erklärung dafür zu finden, braucht man vielleicht ein gewisses technisches, politisches, sozialwissenschaftliches Verständnis, aber über das verfügen diese Leute normalerweise nicht – sie suchen einfach einen Schuldigen.“
Die Wahrheit bleibt draußen
Ganz ohne Ernst geht es also nicht zu, wenn sich ein Fantasy-Autor Verschwörungen widmet. Andererseits ist ihm hoch anzurechnen, dass nicht jeder Blödsinn im Buch gelandet ist. Die in einschlägigen Kreisen verbreitete Theorie, dass Elvis in Wahrheit gar kein Mensch war, sondern ein Außerirdischer vom Mars, fand keine Aufnahme in das neu aufgelegte Kultbuch. „Absolute Antworten sind hier nicht zu finden“, heißt es im Vorwort. „Dafür umso mehr Hinweise darauf, dass nichts ist, wie es scheint – und Anregungen, sich auf die Suche zu machen und selbst zu denken.“ Denn die Wahrheit ist irgendwo da draußen ...
Die bizarrsten Verschwörungstheorien
Der Umbrella-Man und das JFK-Attentat
Ein toter Präsident, ein schwerverletzter Sicherheitsbeamter, eine Gewehrkugel: Jahrelang galt das Attentat auf John F. Kennedy „nur“ als ballistisches Rätsel. Kaum bekannt ist die Existenz eines möglichen Komplizen. Der „Umbrella-Man“ soll in Dallas auf der Dealey Plaza bei strahlendem Wetter einen Regenschirm geöffnet haben – zwei Sekunden, ehe der tödliche Schuss fiel. In Wahrheit wollte er nur den Präsidenten ärgern, weil er gehört hatte, der möge keine Schirme.
Das geheimnisvolle Zeichen mit dem Auge in der Pyramide auf der Rückseite des Staatssiegels der USA, das seit 1935 auch die Rückseite der Dollarnote schmückt, wurde nur aus einem Grund zum Symbol der Verschwörung: Keiner versteht es. Einer Legende nach hatte der US-Kongress einst Benjamin Franklin, Thomas Jefferson und John Adams beauftragt, ein Staatssiegel zu entwerfen. Als sie sich nicht einigen konnten, ging Jefferson im Garten spazieren und kehrte mit diesem Entwurf zurück. Er soll ihn von einem schwarzgekleideten Mann („Man in Black“) erhalten haben.
Das 23-Rätsel
Die Zahl 23 wird seit den 1960ern mystifiziert. Auslöser war William S. Burroughs’ Erzählung „23 Skidoo“. Seither zählt diese Art der Numerologie zur populären Kultur. 2 mal 3 ist 6 und 666 die Zahl des Teufels. Prinzessin Leia wird in „Star Wars“ in der Zelle AA-23 gefangen gehalten und im Film „Airport“ sitzt der irre Bombenterrorist ausgerechnet auf Platz 23. Alles klar!