Leben/Gesellschaft

Psychologe Jäger: So vermeiden Sie den Pensionsschock

Mit der Vorbereitung auf die Pension kann man nie früh genug anfangen – so beginnen viele Ratgeber für angehende Ruheständler. Doch stimmt das überhaupt? Muss man sich wirklich auf den Tag X vorbereiten? Der Arbeitspsychologe Wolfgang Jäger gibt da eine für manche verblüffende Antwort. „Eigentlich nicht.“

Warum denn das? Ein Pensionist hat ja von einem auf den anderen Tag sehr viel Zeit und muss doch planen, was er mit dieser Zeit anfängt. Laut dem Psychologen Jäger sollte man die Sache viel grundsätzlicher angehen: „Die Frage, was man im Leben als sinnhaft wahrnimmt, muss jeder für sich beantworten – schon lange vor der Pension. Denn wer weiß, welche Bedürfnisse er hat, kann diese dann auch im Ruhestand befriedigen.“

Sich auf die Zeit nach dem Berufsleben vorzubereiten, heißt folglich, dass man sich Gedanken macht, wo man seine Erfolgserlebnisse hat und in welchem Bereich man sie befriedigen kann. „Wer gerne sein Wissen zur Verfügung stellt, hat viele Optionen – etwa indem er in Unternehmen noch beratend tätig ist. Oder er geht als Lesepate in eine Schule. Auch als Tagesmutter kann ich Sinnvolles leisten.“  

Das Gleiche gilt für Menschen, für die die Elternrolle immer ein zentraler Punkt in ihrem Leben war. „Diese hoffen vielleicht, dass sie Enkel bekommen – manche allerdings vergebens, weil Sohn oder Tochter eben andere Lebenspläne haben. Da muss man flexibel sein und sich einen Ersatzenkel suchen: Es gibt ja genug Kinder in Österreich, die von einer Leihoma oder einem Leihopa profitieren würden.“

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Der Sache wegen

Letzten Endes gehe es immer um das Gefühl des Gebrauchtwerdens: „Und da kann ich vieles ehrenamtlich machen. Wer zum Beispiel als Chef gerne Verantwortung übernommen hat, kann heute in vielen karitativen Einrichtungen oder in Vereinen seine Managerfähigkeiten einbringen“, rät der Arbeitspsychologe. Das Alter habe dabei einen entscheidenden Vorteil: „Es ist eine Erleichterung, wenn ich all das nicht mehr wegen des Geldes, sondern der Sache wegen machen kann.“

Die größte Gefahr sieht der Psychologe darin, dass man den Fokus ausschließlich auf den Beruf legt. „Klar fällt man dann in der Pension in ein Loch, weil ein wesentlicher Lebensinhalt verloren gegangen ist.“ Wolfgang Jäger rät diesen Menschen, sich zu fragen, warum sie ihren Job so liebten: „Ging es mir darum, Menschen zu führen? Habe ich damit einen Geltungstrieb befriedigt? Oder habe ich einfach das Miteinander mit den Kollegen geschätzt?“ Wer das weiß, kann sich eine entsprechende Tätigkeit suchen.

Doch auch wenn jemand noch Bäume ausreißen kann: „Nicht immer wird das, was ein Pensionist macht, von anderen goutiert“, sagt Jäger, der da einige Negativbeispiele kennt: „Manche Manager spielen sich bei sozialen Treffen auf, als ob sie der Chef wären. Und mancher Ex-Polizist hat nichts anderes zu tun als die Nachbarn mit seinem Kontrollwahn auf die Palme zu bringen.“ Seine Analyse: „Wenn es so schief läuft, dann heißt das immer, dass diese Menschen den Kontakt zu sich selber verloren haben.“

Wer sich nämlich bewusst wird, was der persönliche Sinn im Leben ist und welche Rollen er ausfüllen will, der sucht sich eben eine Beschäftigung, wo er diese auch sinnvoll ausleben kann. Sein Rat: „Wer gerne für Ordnung sorgt, ist vielleicht in einer Mieterberatung besser aufgehoben.“

Gemeinschaft suchen

Viele alte Menschen fürchten sich davor, einsam zu werden. „Das muss nicht sein. Wem Gemeinschaft wichtig ist, der hat viele Möglichkeiten, mit anderen etwas zu unternehmen: Schachklubs, Sport- oder Musikvereine, Interessensgemeinschaften, Institutionen wie die Kammern etc. sind manchmal über Hilfe froh“, weiß Jäger aus Erfahrung. Entscheidend ist, dass man selbst aktiv werde und auf andere zugehe.

Pensionisten seien nämlich heute aktiver denn je: „Sie gehören nicht mehr zum ,alten Eisen‘. Der Grund: Das Gesundheitsbewusstsein hat sich verbessert, genauso wie die körperliche Mobilität. Wer heute eine künstliche Hüfte bekommt, kann dennoch einen Tanzkurs belegen oder auf den Berg klettern.“

Papa ante portas

Eine Herausforderung kann eine Pensionierung auch für die Ehepartner werden. Der deutsche Humorist Loriot hat dies im Film Papa ante portas in eine groteske Geschichte verpackt. Da wird der ehemalige Chefeinkäufer der Firma plötzlich zu Hause zum Manager.

„Die Pension ist eine veränderte Rahmenbedingung, die nur offensichtlicher macht, dass die Partnerschaft nicht mehr funktioniert. Man hat mehr Zeit miteinander und merkt plötzlich, dass man neben jemandem lebt, mit dem einen nichts mehr verbindet“, so Jäger. Denn auch in der Ehe gelte das Prinzip, dass man sich seiner Rolle bewusst werden soll. In diesem Fall ist es die Partnerrolle. Sein Rat: „Man muss gemeinsame Visionen entdecken. Das kann z. B. sein, gemeinsam fremde Kulturen zu entdecken, wofür man jetzt sogar mehr Zeit hat.“