Mobile Krankenpflegerinnen: Sie schickt das „Sankt Anna“
Der kleine Mann ist hart im Nehmen: Egal ob ihm seine längst ans Herz gewachsene Besucherin auf dem Sofa Blut abnimmt, seinen Katheter spült, das Pflaster wechselt, Chemotherapie-Tabletten zum Schlucken gibt – Azad Yakin strahlt sie immerzu an.
Nebenbei schaut der Dreieinhalbjährige mit einigem Interesse „Biene Maja“.
Aggressiver Tumor
Manuela Stricker besucht Azad seit gut einem Jahr regelmäßig in seinem Wohnzimmer in Wien-Favoriten, bei Bedarf sogar zwei Mal pro Woche. Die diplomierte Kinderkrankenpflegerin arbeitet für den mobilen Dienst des Sankt-Anna-Kinderspitals, der heuer sein 25-jähriges Jubiläum feiert.
In der Nebennierenrinde des Buben sitzt ein aggressiver Tumor. „Das wissen wir seit dem 26. März 2018“, erzählt seine Mutter, Seher Yakin, sehr gefasst. Und dann sagt sie: „Ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich bin, dass die Pflegerinnen vom Sankt Anna zu uns kommen. Sie schickt der Himmel.“
Jedes Mal, wenn ihr Sohn das Haus verlassen muss, bedeutet das akute Gefahr für ihn. Überall in der Stadt, wo mehrere Menschen auf engstem Raum zusammenkommen, könnte er sich mit lebensbedrohlichen Keimen anstecken.
Es gibt Spitalbesuche, die lassen sich nicht vermeiden. Heute trifft es sich wieder einmal gut, dass die mobile Helferin die medizinische Versorgung aus ihrem Rucksack leisten kann.
Nebenbei kann Seher Yakin vor der Helferin auch ihr Herz ausschütten. Dabei wird schon mal geweint. Heute jedoch scherzen die beiden Frauen, als wären sie zwei langjährige Freundinnen. So sehr, dass auch der kleine Azad lachen muss.
Emotionale Gratwanderung
Seit 23 Jahren arbeitet Manuela Stricker als Kinderkrankenpflegerin für das Sankt-Anna-Kinderspital. Bis 2011 auf internen Stationen, seither im Außendienst. „Meine Cousine hat mich auf die Idee gebracht, diesen Beruf zu erlernen. Ich bin ihr heute noch dankbar dafür.“
Ihre aufsuchende Arbeit sei eine emotionale Gratwanderung, erzählt die Frau mit dem roten Rucksack. Anders als im Spital trägt sie bei Hausbesuchen keine Dienstkleidung. Dafür kommt sie den Patienten und ihren Angehörigen nicht nur räumlich sehr nahe: „Sie lassen mich in ihre Wohnungen. Über kurz oder lang entstehen da persönliche Beziehungen.“
Schön, wenn ein Kind vom Krebs geheilt werden kann. Was laut Statistik heute immerhin bei 85 von 100 Kindern gelingt. „Die Quote war, als ich zu arbeiten begonnen habe, beinahe umgekehrt“, freut sich Frau Stricker.
Sie besucht aber nicht nur Kinder, die gerettet werden können. Sie begleitet auch jene, die als unheilbar gelten. Wobei deren Leben oft um Monate, manchmal sogar um Jahre verlängert werden kann.
Ein Thema, das alle Mitarbeiter des Kinderspitals beschäftigt, ist die Frage, wie nahe sie das Schicksal der Patienten und ihrer Familien an sich heranlassen sollen. Die Mutter von zwei Kindern sagt: „Empathie ist wichtig, aber nur so viel, dass ich meine Arbeit noch professionell erledigen kann. Denn nur dann kann ich helfen.“
Die Alarmglocken haben bei ihr geläutet, als ihr die eigene Tochter vorgeworfen hat: „Du verbringst mehr Zeit mit deinen Patienten als mit mir.“ Inzwischen hat die Familie einen guten Weg gefunden, und die Mutter kann sagen: „Ich bin den Kindern und meinem Mann dankbar für ihr Verständnis.“
Auch Azad, der blonde Harry Potter von Favoriten, ist zufrieden mit ihr. Und mit den Stickern, die sie ihm für seine Tapferkeit aushändigt.
Kinder-Krebs-Hilfe
Vor 25 Jahren haben betroffene Eltern einen Infusionsständer gespendet – quasi der Auftakt für die häusliche Betreuung von krebskranken Kindern und ihrer Familien in Wien, Niederösterreich und im Burgenland. 25 Jahre später wird das mobile Team noch immer durch Spenden finanziert. Die Spenden werden von der Elterninitiative lukriert.
Helfen und spenden
Alle Infos über den gemeinnützigen Verein Kinder-Krebs-Hilfe und die Möglichkeit zu spenden: kinderkrebshilfe.wien