Leben/Gesellschaft

92 Tage warten auf eine MRT-Untersuchung

Der Orthopäde ist sich ziemlich sicher: Bandscheibenvorfall mit einem täglich stärker werdenden Taubheitsgefühl im rechten Fuß. Er schreibt eine Überweisung. Daher ruft man im Diagnosezentrum Dr. Karlo in Klagenfurt an. Der KURIER-Redakteur hat Glück im Unglück. Ein Termin für eine Magnetresonanz-Untersuchung wird einem für den 25. April, also in 33 Tagen in Aussicht gestellt.

Was soll das für ein Glück sein? Ein großes. Denn ein Testpatient des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) hätte sich beim selben Institut 92 Tage mit Schmerzen gedulden müssen.

550 Euro für einen Check

Sechs Mitarbeiter des VKI haben alle 61 Institute, die mit einem Kassenvertrag ausgestattet sind, angerufen und Mystery Shopping betrieben. Die Auskünfte, die sie erhalten haben, werfen ein Licht auf die medizinische Versorgung in Österreich. In 23 Instituten wurde eine durchschnittliche Wartezeit zwischen drei und fünf Wochen in Erfahrung gebracht (jedes Institut wurde sechs Mal kontaktiert). Acht Einrichtungen wollten die Tester sechs bis acht Wochen warten lassen, in drei Instituten müssen Patienten mit durchschnittlich neun Wochen Wartezeit rechnen.

Mit zwei Geldscheinen öffnen sich die Türen bei Dr. Karlo in Klagenfurt deutlich früher: Für 200 Euro fährt man bei ihn schon am 4. April in die Diagnose-Röhre. Kein Einzelfall! Die Hälfte der vom VKI kontaktierten Institute bot eine Sofort-Untersuchung gegen Cash an. Entweder aktiv oder auf Nachfrage der Testpatienten. Die Kosten für die Extra-Behandlung wurden mit 130 bis sogar 550 Euro angegeben.

Vier Institute, eines in Wien und drei in West-Österreich, veranschlagten mehr als einen violetten Fünfhunderter. (Was dafür geboten wird, wurde nicht eruiert.)

Und dann der nicht akute und dennoch zu behandelnde Kreuzband-Riss nach einer unglücklichen Verdrehung während eines Fußballspiels: „Ich sag’s Ihnen gleich, vor Juni geht bei uns gar nix“, erklärt die freundliche Assistentin im Diagnosezentrum Favoriten. Der nächste freie Termin wäre am 14. Juni (an diesem Tag spielt Österreich in Bordeaux gegen Ungarn). Aber wenn man die mobile Nummer des angeschlossenen Privatinstituts anruft, ist ein Termin nach Ostern realistisch. Rund 200 Euro würde das kosten.

Hauptverband und Krankenkassen leiten aus einer derartigen Bevorzugung von Privat- gegenüber Kassenpatienten eine Vertragsverletzung ab und sehen darin eine Aushebelung der Solidargemeinschaft. Auch beim VKI ist man der Meinung, dass sozial Schwächere, die sich keine private Untersuchung leisten können, nicht benachteiligt werden dürfen. Dem widersprechen die Betreiber der radiologischen Institute (siehe Artikel unten).

Während der Wartezeit kann man über die Zahlen nachdenken: Pro Jahr werden in Österreich 650.000 MRT-Untersuchungen abgewickelt (sind alle notwendig?), das ist enorm viel, kostet auch viel Geld: Die Ausgaben der Krankenkassen dafür beliefen sich im Vorjahr auf 100 Millionen Euro.

Die VKI-Kritik an den langen Wartezeiten weist auch der kritisierte Kärntner Radiologe Otto Karlo zurück – und macht die Kassen dafür verantwortlich: Diese haben 2010 die Zahl der honorierten Untersuchungen pro Institut limitiert: „Ich habe einen Deckel, der 35 Prozent unter dem Durchschnitt der Kärntner Diagnoseinstitute liegt, der Rest wird mir von der Krankenkasse nicht erstattet. 2009 wurde ich mit einem niedrigen Deckel eingestuft, der mir bis heute nachhängt.“ Er überschreite diese Zahl ständig und arbeite dann praktisch umsonst. „Aber durch diese Deckelung bin ich irgendwann mit den Patienten limitiert und es entstehen Wartezeiten.“

„Die jetzige Situation haben die Krankenkassen mit der Begrenzung der Untersuchungszahl verursacht“, sagt auch Radiologie Helmuth Mendel von der Röntgenordination „Dock & Mendel“, eine in der Confraternität-Privatklinik Josefstadt eingemietete Kassenordination. Montag, Mittwoch und Freitag von 8 bis 17 Uhr und Dienstag und Donnerstag von 8 bis 15 Uhr werden Kassenpatienten behandelt. „Außerhalb der vertraglich geregelten Kassenzeiten führen wir Untersuchungen von Privatpatienten durch.“ Würde die Ordination nur Kassenpatienten behandeln, „hätten wir nur von Jänner bis zirka Ende September Einnahmen, alle Untersuchungen im letzten Quartal gingen auf unsere Kosten. Deshalb nehmen wir zusätzlich Privatpatienten. Uns wäre aber auch lieber, es gäbe diesen Deckel nicht.“ - Thomas Martinz, Ernst Mauritz

Top 5:

Röntgeninstitut Dr. Kanzian, Liezen: 9 Tage Wartezeit*, private Vorreihung ist möglich.

MR Institut, Bludenz: 10 Tage Wartezeit, private Vorreihung ist nicht möglich.

Diagnosezentrum Salzburg: 10 Tage Wartezeit, private Vorreihung ist möglich.

MR Dr. Schöpf, Landeck: 11 Tage Wartezeit, private Vorreihung ist möglich.

Radiologie Dr. Kastlunger, Schwaz: 11 Tage Wartezeit, private Vorreihung ist nicht möglich.

Flop 5:

Diagnosezentrum Favoriten, Wien: 69 Tage Wartezeit, private Vorreihung ist möglich.

Diagnosezentrum Mödling: 66 Tage Wartezeit, private Vorreihung ist nicht möglich.

Diagnosezentrum Dr. Karlo, Klagenfurt: 59 Tage Wartezeit, private Vorreihung ist möglich.

Diagnosezentrum Horn: 53 Tage Wartezeit, private Vorreihung ist möglich.

Ambulatorium Döbling: Wien: 53 Tage Wartezeit, private Vorreihung ist nicht möglich.

* Durchschnittliche Wartezeit, die errechnet wurde, nachdem sechs VKI-Tester um einen Termin gebeten hatten.