Leben/Gesellschaft

Kluge Tiere: Warum der Mensch nicht besser ist

Schimpansen knacken ihre Nüsse mithilfe von Steinen, und das bereits seit mehr als 4.000 Jahren. Dass sie das bis heute tun, ist für Forscher ein Indiz dafür, dass es sich dabei um Wissen handelt, das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Und auch dafür, dass die Menschenaffen intelligent sind, also in der Lage sind, Probleme selbst zu lösen und Zusammenhänge zu erkennen. Im Gegensatz zum Rest der Tierwelt wurden unserem nächsten biologischen Verwandten bis vor Kurzem am ehesten geistige Fähigkeiten zugestanden. Allen anderen attestierte man bestenfalls instinktgesteuertes oder dressiertes Verhalten.

Von Bienen und anderen Blitzgneißern:

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Tiere lernen - die Forschung hat's verstanden

Ein kluges Köpfchen zu sein, blieb allein dem Säugetier Mensch vorbehalten. Doch inzwischen weiß die Wissenschaft mehr: Es ist ein Irrglaube, dass Vögel, Meerestiere oder Insekten nicht lernen. Im Gegenteil: Sie entwickeln sich weiter, können sogar so etwas wie ein Zeitgefühl und Ich-Bewusstsein haben. Die Rätsel um viele andere unserer Mitgeschöpfe sind aber noch längst nicht gelöst. Weltweit studieren, beobachten und analysieren deshalb Biologen, Zoologen und Verhaltensforscher leidenschaftlich, was Tiere können. Wie sie Strategien entwickeln, ja, sogar Wissen über Generationen an ihre Art weitergeben.

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Völlig unterschätzt bislang: die wirbellosen Tiere.

Tiere haben vielleicht Gefühle, die wir gar nicht kennen

Entfacht wurde der etwas andere Blick auf die fliegende, krabbelnde und schwimmende Fauna vor allem in den letzten vier Jahrzehnten: Als immer öfter wissenschaftlich bewiesen werden konnte, dass Tiere fühlen und denken." Das heißt nicht, dass sie fühlen oder denken wie wir", sagt Katharina Jakob. "Tiere haben vielleicht Gefühle, die wir gar nicht kennen." Jakob hat die neuesten Erkenntnisse über "die geheimen Fähigkeiten der Tiere" in ihrem neuen Buch "Warum Wale Fremdsprachen können" analysiert und leicht verständlich aufbereitet. Zur Basis gehören auch spannende Einsichten und Ansichten von Forscherinnen und Forschern, die sie weltweit besucht hat.

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Im Bild: Die gefiederte Intelligenz-Bestie Griffin. Der Graupapagei ist der Nachfolger von Alex (1976-2007), dem wohl berühmtesten Vogel der Welt. Er konnte selbst jene überzeugen, die glaubten, dass Vögel nicht mehr als ein Spatzenhirn besitzen. Alex hatte Rechnen gelernt, konnte Formen von Farben unterscheiden und zeigte eindeutig Emotionen

Wie nehmen die Tiere uns Menschen wahr?

So tauchte sie in die Welt der Orcas und Delfine ein, wo man Ansätze einer gemeinsamen Kommunikation entdeckt hatte, besuchte Rabenvögel und Menschenaffen, wurde Zeugin von faszinierenden Experimenten mit Bienen und hatte die Chance, der gefiederten Intelligenz-Bestie Griffin "guten Tag" zu sagen. Griffin ist der Nachfolger von Graupapagei Alex, dem wohl berühmtesten und klügsten Vogel, den die Wissenschaft je gesehen hat. Er kann das, was auf einem Forschungsschiff vor Kalifornien gerade mit Delfinen auf offenem Meer trainiert wird: Objekte mit bestimmten Signalen verknüpfen, das so genannte "labeln" (etikettieren). Beim Papagei sind die Signale Wörter, beim Delfin Pfiffe. Und ein ambitioniertes Forscherteam arbeitet daran, diese Pfiffe in Zukunft mithilfe des Computers zu entschlüsseln.

Wir können das Mysterium Tier nicht einfach so verstehen.

Es gibt keinen Zweifel mehr, dass Tiere mehr können, als lange gedacht. Vieles ist längst nicht erforscht und kann mit Spannung erwartet werden. Buchautorin Katharina Jakob im freizeit-Gespräch: "Wir können das Mysterium Tier nicht einfach so verstehen. Es gilt Zusammenhänge, Kommunikation und Verhalten zu analysieren. Wir können uns gar nicht vorstellen, wie es in der inneren Welt der Tiere zugeht. Wie nehmen sie uns wahr? Vermutlich ist ihre Welt nicht weniger toll, aber auch nicht toller als unsere. Sie ist ganz einfach anders." So wie die Welt des Hundes, jenes Geschöpfs, das dem Menschen seit Jahrtausenden so vertraut ist.

Wau: Vom Menschen begeistert?

Was denken Chico, Jara und Benni, wenn sie ihre Gefährten auf zwei Beinen nachdenklich beobachten? Sind sie wirklich so begeistert von ihren Menschen oder geht es nur darum, nicht zu verpassen, dass die Kühlschranktür aufgeht und etwas für sie abfällt? Erstaunlich, dass die Erforschung des Universums der Hunde erst in den 1990ern intensiviert wurde. Das hatte auch mit der Zuschreibung zu tun, dass Hunde im Vergleich zum Wolf degeneriert seien, mit wesentlich schlechterem Gehör- und Geruchssinn. Keine Blitzgneißer also wie die vermeintlich gescheiteren Menschenaffen. Eine Sichtweise, die mittlerweile unhaltbar ist.

Partnerschaft Hund-Mensch im Erbgut verankert

Die Einzigartigkeit der Beziehung Hund-Mensch hat den Vierbeinern viele Fertigkeiten verliehen. Im Fokus der Forschung steht deshalb vor allem die Kommunikation zwischen den beiden. Und so liegen spannende Erkenntnisse auf dem Tisch: Im Family Dog Lab in Budapest konnte etwa mithilfe von Hirnscans gezeigt werden, dass vergleichbare Areale des Denkapparats bei Hund und Mensch aktiviert werden, wenn es um Stimmenverarbeitung geht. Außerdem hat sich in den zigtausenden Jahren der Partnerschaft mit Menschen im Erbgut der Hunde das Verstehen von Zeigegesten verankert.

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Im Family Dog Lab in Budapest konnte etwa mithilfe von Hirnscans gezeigt werden, dass vergleichbare Areale des Denkapparats bei Hund und Mensch aktiviert werden, wenn es um Stimmenverarbeitung geht

"Aliens des Meeres"

Völlig unterschätzt bislang: die wirbellosen Tiere. Sind doch 95 Prozent aller Tierarten wirbellos. Dazu gehört auch der Kraken mit seinen 500 Millionen Nervenzellen, die vom Gehirn bis in die Arme reichen. Auch er ein Beispiel dafür, dass die Natur viele Varianten der Intelligenz geschaffen hat. Wie diese "Aliens des Meeres" die Menschen wohl wahrnehmen? Können sie sie voneinander unterscheiden? Katharina Jakob hat auch die Krakenforscherin Jennifer Mather getroffen. Die Expertin, die seit mehr als vierzig Jahren die mysteriösen Wesen beobachtet, hat ein interessantes Experiment gemacht. Ein Mitarbeiter fütterte zwei Wochen lang alle Kraken im Labor, ein anderer sollte die Tiere mit einer Bürste berühren. Nachdem das Experiment abgeschlossen war, zeigte sich, die Kraken streckten dem fütternden Menschen ihre Arme auch lange danach noch entgegen, obwohl es kein Futter mehr gab, während sie vor dem Bürsten-Mann, einem vermeintlichen Angreifer, flohen.

Das muss Liebe sein

Irgendwie erinnert das ein bisschen an das Oscar-prämierte Monstermärchen "The Shape of Water", in dem es um die Liebe zwischen einem Menschen und einem gefangenen Fischwesen geht. Wenn die Forscherin dann auch noch von unterschiedlichen Persönlichkeiten berichtet, die sie bei Oktopussen beobachtet haben will, ahnt man, dass wir Menschen gerade erst begonnen haben, unsere tierischen Mitgeschöpfe und ihre Fähigkeiten zu verstehen.