So kann man die Lebensgeschichte der Oma für immer bewahren
Von Ute Brühl
Oma und Opa haben ein langes Leben hinter sich – und deshalb viel zu erzählen. Wann, wenn nicht jetzt während der Feiertage, ist Zeit, ihren Geschichten zu lauschen und sie für die nächste Generation zu bewahren?
Carina Manutscheri (meinlebeneinbuch.at) kennt viele Lebensgeschichten. Gemeinsam mit älteren Menschen spürt sie ihren Erlebnissen nach und verpackt sie in Biografien, die nur für Familie und Freunde bestimmt sind.
Der KURIER hat sie gefragt, wie auch junge Menschen die Geschichten ihrer Großeltern oder Eltern und somit ihre eigene Familiengeschichte sammeln und bewahren können. Ihr wichtigster Rat: „Nehmt Euch bewusst Zeit fürs Zuhören und schafft eine wertschätzende Atmosphäre. So fällt es der Oma oder dem Opa leichter zu erzählen.“ Als Ort wählt Manutscheri deshalb kein anonymes Kaffeehaus, sondern eine vertraute Umgebung, etwa das Wohnzimmer.
Wertschätzen
Bevor man sich mit der Oma zusammensetzt, sollte sich der „Interviewer“ Gedanken machen, welche Fragen er stellen will: „Das zeigt Wertschätzung, weil du so Interesse signalisierst“, sagt Manutscheri. Um sich in Omas Jugendzeit hineinzuversetzen, hilft es, Zeitungen aus der Zeit zu lesen oder Dokumentationen anzuschauen, denn wer historische Hintergründe kennt, kann den Großeltern bei Erinnerungslücken beispringen. Ihnen fallen Geschichten dann wieder ein, die sie zu vergessen geglaubt haben.
Alte Fotos sind ebenso eine wunderbare Erinnerungsstütze. Das gemeinsame Anschauen alter Alben macht das Erzählen einfacher.
Lebensmotto
Bevor die Menschen erzählen, fragt Manutscheri sie immer, welches Motto oder Zitat sie ihrer Biografie voranstellen wollen: „Das zeigt, welchen Blick sie auf ihre Lebensgeschichte haben.“
Die Gespräche beginnt die Biografin fast immer chronologisch – sie fängt also mit der Kindheit an: „Das hilft, die Gedanken zu sortieren“. Klar, die Jugendzeit war für viele Großeltern nicht einfach, manche haben den Krieg erlebt, den Hunger und die Kälte in der Nachkriegszeit. „Doch an irgendetwas Schönes erinnert sich jeder – und sei es nur der Duft aus der Backstube nebenan.“
Am meisten erfährt sie, wenn sie einfach nur zuhört: „So bekommt das Gegenüber Zeit geschenkt – ein besonders hohes Gut.“ Dabei entsteht eine herzliche Verbindung, bei der man nicht nur an der Oberfläche bleibt. „Spürt der Mensch das, öffnet er sich und erzählt auch von weniger schönen Dingen. Die lässt er nämlich oft aus, um die Familie nicht zu traumatisieren.“
Erzählt jemand von unschönen Erlebnisse, kann das befreiend sein, weil endlich einmal jemand den rosa Elefanten anspricht. „Du solltest auch auf negative Erzählungen gefasst sein“, warnt sie junge Interviewerinnen und Interviewer, denn auch diese Erlebnisse gehören zum Leben. „Egal, was kommt – jedes Leben ist es wert, erzählt zu werden.“
Damit sie nichts vergisst, lässt Manutscheri immer ein Diktafon mitlaufen, das mittlerweile auf jedem Handy installiert ist. Anfangs hätten die Erzählenden dabei etwas Scheu. „Doch spätestens nach zwei Minuten vergessen sie, dass das Band mitläuft“, weiß sie. Was aus den Gesprächen tatsächlich festgehalten werden soll, entscheiden Oma oder Opa unbedingt selbst.
Wer sich über die Zeit, in der die Großeltern aufgewachsen sind, informieren will, der kann in alten Zeitungen stöbern. Viele davon sind digitalisiert und unter anno.onb.ac.at abrufbar.
Tonaufnahmen von Radio-Sendungen sowie Interviews mit Zeitzeugen findet man zum Beispiel auf mediathek.at. Sehr unterschiedliche Biografien werden hier verewigt: Die Bauerstochter und die Heimatvertriebe erzählen hier ebenso ihre Lebensgeschichte wie der Eisenbahner oder der jüdische Bub, der mit dem Kindertransport nach England gebracht wurde.
Einen Leitfaden, besonders für Kinder, bieten Bücher wie zum Beispiel „Oma, wie war’s bei dir damals?“ (Verlag F-Libri, 35,95 €) oder – im kleineren Format – „Opa, erzähl mal“ (Elma van Vliet-Verlag, 16,50 €). Vorgegebene Fragen helfen, die Erinnerungen zu sortieren, daneben gibt es ausreichend Platz, um Fotos und andere Erinnerungsstücke einzukleben. Damit Omas Geschichte nicht vergessen wird.