Kleiner Samen, viel Geschmack: Warum Mohn jetzt cool ist
Von Anita Kattinger
In weißen bis violetten Blütenblättern kündigt uns Papaver somniferum Linné den Sommer an – nach der Ernte bringen uns dann die grauen, blauen und weißen Mohnsamen in Kuchen und Zelten durch die kalten Wintertage. Die meisten der rund 120 Arten der Pflanzengattung Papaver sind auf der Nordhalbkugel heimisch: Auf seinen Reisen durch ganz Europa sammelte Paul Baumühlner Samen von hierzulande wenig bekannten Ursorten.
Eine Tullner Mini-Arche-Noah also, so umschreibt der niederösterreichische Landwirt seine Samen-Datenbank. Besonders angetan hat es ihm der Goldmohn mit seinen Mandel-Aromen, dessen Pfingsrosen-artige Blüten (siehe Foto) er zufällig in einem südfranzösischen Vorgarten entdeckte. Demnächst möchte er mit dem Kultivieren seiner seltenen Sorten beginnen.
Die fast eineinhalb Meter hohe Mohnblume ist zwar an unser Klima angepasst, aber sehr witterungsanfällig. Im Frühjahr darf es feucht sein, während der Knospenbildung braucht es trockenes Wetter. Graumohn besticht durch violette Blüten, Blaumohn durch weiße und violette und Weißmohn durch weiße Blüten. Sein Großvater hatte vor rund 30 Jahren mit den ersten Anbauversuchen auf einem 2.000 Feldstück begonnen, mittlerweile baut der Enkel drei Mohnsorten auf 200 Hektar an. Seine Eltern bauten Blaumohn an, er aber erkannte das Potenzial von Weißmohn, der sonst aus Indien importiert wird.
Superfood
Seinen Grau, Blau- und Weißmohn füllt der 35-Jährige sortenrein in Gläsern mit coolen Etiketten ab. Für Baumühlner würde sich der Anbau rein aus kulinarischer Sicht nicht rechnen: „Wir bauen zu 80 Prozent Mohnblumen für Dekozwecke in getrockneter Form an. Diese Blumen werden behutsam mit der Hand geschnitten und sind mehrere Jahre lagerfähig.“ Anders als jener Mohn, den der Landwirt kulinarisch verarbeitet: „Hier fährt das Mähwerk mit Trommeln durch die Wiese und quetscht die Kapseln: Die Samen rieseln heraus und werden aufgefangen.“
Anschließend werden die Samen gereinigt. Durch Erhitzen der Samen werden sie haltbar gemacht, bevor sie in Gläser für den Normalverbraucher kommen. Haubenköche wie Klemens Schraml vom oberösterreichischen Restaurant „Rau“ bevorzugen es hingegen, die rohen Samen aus Tulln selbst zu mahlen. „Mohn ist heimisches Superfood, aber er hat ein Imageproblem, weil wir mit ihm die traditionelle, österreichische Küche verbinden. Dabei eignen sich die Samen auch für trendige Rezepte.“ An dieser Stelle schwärmt der Niederösterreicher vom knackigen Biss als Topping über eine Bowl, vom hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren in Smoothies und schließlich von der nussigen Alternative im Gugelhupf für Allergiker.
Nächstes Jahr möchte der Mohn-Bauer Workshops anbieten, um Feinschmecker mit den feinen Nuancen vertraut zu machen. Den Geschmack seines Mohnfeldes gibt es auch in der Flasche – als gelbgoldenes Öl.
Rezept: Mohn-Topfenaufstrich
100 g Mohn gemahlen, 3,5 EL Milch, 125 g Topfen, ½ EL Zitronensaft, etwas Zitronenschale, ½ Knoblauchzehe, Salz, Pfeffer, Kräuter
Mohn, Milch und Zitronenschale verrühren. 15 Minuten ziehen lassen. Mohnmasse mit Topfen, Zitronensaft und zerdrücktem Knoblauch vermengen. Abschmecken.