Die Oma, die fürs Enkerl modelt
Von Barbara Beer
Man hört sie schon von weitem lachen. Dabei hätte Eleonore Seim in ihrem Leben genügend Gründe gehabt, auch einmal weniger zu lachen. Geboren im Krieg, aufgewachsen in den schwierigen Jahren danach. Die Erinnerung an den Russen, der die Mutter mitnehmen wollte. Später die viele Arbeit, dann der Verlust ihres Mannes. Heute tut sie sich mit dem Gehen schwer, der Stock ist ihr Begleiter geworden.
Die bald 80-jährige Liesingerin hat das alles weggelacht. "Es ist vorbei und ich bin selig, dass ich noch lebe. Ich bin ein rundum zufriedener Mensch. Außerdem: Lachen ist schöner als Weinen." Die Valerie, ihre Enkelin, hat ihr dabei geholfen, zu lachen statt zu weinen.
Der Kaktus, der Angeber
In Frau Seims sonniger Gemeindewohnung gedeihen die Pflanzen besonders gut. Ein riesiger Weihnachtskaktus blüht strahlend rosa fast schon angeberhaft vor sich hin. Mag sein, dass ihm nicht nur die Sonne vor dem Fenster gut tut, sondern auch die Fröhlichkeit hier herinnen.
Apropos: Kichernd erzählt Eleonore Seim, dass sie sich demnächst zum Achtziger ein "Peckerl" stechen lassen wird. Als Valerie vor einiger Zeit mit einem Tattoo heimgekommen ist, war Frau Seim zuerst recht befremdet. "Das machen doch nur die Häfenbrüder", hat sie sich gedacht. Jetzt will sie auch eines: "In meinem Alter ist es auch schon wurscht."
Valerie hat eine coole Oma, das weiß sie und das wissen auch ihre Freunde. Die kennen die Oma natürlich, weil sie oft dabei ist und mit den jungen Leuten plaudert. Die Seims telefonieren regelmäßig, gehen miteinander auf den Flohmarkt oder ins Kaffeehaus. Die Oma trägt die T-Shirts, die Jungdesignerin Valerie geschneidert hat, und modelt für sie.
Man lernt voneinander. Dass das Leben so manche Wunde heilt. Wie so ein Smartphone funktioniert. Und wie das mit den Flüchtlingen ist.
Die Oma hört sich das alles an und versucht, zu verstehen.
Zum Beispiel auch, dass man statt zu Schoko-Keksi einmal zu Gemüsechips greifen kann. "Die Oma nascht gerne", erzählt Valerie. Sie achtet auf den Einkauf der Oma. Obwohl, sagt Frau Seim leise und schmunzelt: "Manchmal ist es schon anstrengend, mit der Valerie einkaufen zu gehen. Ich kauf ja immer dasselbe, aber sie geht durch alle Reihen im Supermarkt und dreht jedes Packerl um."
Die Wände in Frau Seims kleiner Meidlinger Wohnung ("seit dem 61-er Jahr sind wir hier herinnen") sind voll mit Bildern. Die meisten zeigen die drei Enkerln, von denen sich nicht alle so brav wie die 26-jährige Valerie um die Oma kümmern. "Die Buam telefonieren ned so gern. Aber wenn ich was brauch, kann ich schon zu ihnen gehen."
Lieber Lamourhatscher
Vergilbte Hochzeitsfotos zeigen Eleonore als quirlige junge Frau an der Seite ihres Mannes, sie waren ein schönes Paar. Motorrad sei man gerne gefahren. Und der Rock 'n' Roll? "Wir haben lieber die Lamourhatscher gehört. Rex Gildo und Roy Black."
"Die jungen Leute heute haben es wohl schwerer als wir damals. Wir hatten nicht diesen Druck. Bei uns hat ja keiner was gehabt. Zukunftsängste haben wir keine gehabt," sagt Frau Seim. Und wie ist das mit der Valerie? "Ich bin froh, dass ich sie hab, und sie ist froh, dass sie mich hat." Ob sie glaubt, dass die Generationen von einander lernen können? "Ja. Allgemein wäre ein bisserl mehr Verständnis füreinander gut. Aber viele Leute wollen einfach ihre Ruhe."
"Ich hol’ die Oma in die Jetztzeit", glaubt Valerie. Da kommt wieder Frau Seims herzliches Lachen. "Stimmt. Aber manchmal widersprech ich auch."