"Memory" im Schauspielhaus
Subtiles Dokumentartheater mit politischen und humanitären Aspekten: das 1994 von der Choreografin Wen Hui und dem Filmemacher Wu Wenguang in Peking gegründete Living Dance Studio gastiert bei den Wiener Festwochen im Schauspielhaus. Aufführungen gibt es noch bis bis 19. Mai.
"Memory" in chinesischer Sprache mit deutschen Untertiteln ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Kulturrevolution und ihren Auswirkungen auf die chinesische Bevölkerung zwischen 1966 und 1976. Obwohl sich Wen Hui und Wu Wenguang einer plakativen Kritik am diktatorischen System entziehen und Erlebnisse Wen Huis als Ausgangspunkt ihrer Arbeit wählten, durfte "Memory" in Peking nur vor geladenen Gästen aufgeführt werden.
Zwischen Tradition und Gegenwart
Das Stück beginnt mit einem Film, einem Brückenschlag zwischen traditioneller chinesischer Kunst zur Gegenwart. Im Zentrum steht danach der Dialog der Darstellerinnen Wen Hui und Li Xinmin.
Viele Symbole tauchen auf, die in ihrer Bildersprache an das Alltagsleben in China erinnern. Sie geben dem Stück einen eigenen Rhythmus. Vor diesem Hintergrund beantwortet Wen Hui Fragen zu ihrem Leben. Sie wurde Tänzerin und schildert, wie die Kulturrevolution in das Leben der Menschen eingriff. Die Tanzwelt wurde zu ihrem Fluchtpunkt vor der Pflicht, an Massenveranstaltungen teilzunehmen, Mao zu huldigen und Mitmenschen auf Verdacht sofort anzuzeigen.
Wen Huis zentrale Haltung mit verbogenem Körper steht dabei in Kontrast zur staatlich verordneten – kurioserweise von einer europäisch-aristokratischen Kunstform abgeleiteten – Ballettästhetik.
KURIER-Wertung: ***** von *****