Kultur

Theater an der Wien: Bitterböse Parabel über Geld und Gier

Auch so kann es manchmal gehen. Da werden Schlüsselwerke des 20. Jahrhunderts jahrelang nicht gespielt, ehe ein Jubiläum alles ändert. Die Rede ist von Gottfried von Einem, dessen 100. Geburtstag sich heuer jährte, der daher gleich von zwei Institutionen gewürdigt wird. So zeigt die Wiener Staatsoper ab 24. Mai "Dantons Tod", mit dem der 1996 verstorbene Komponist einst seinen Durchbruch feierte. Vorgelegt aber hat das Theater an der Wien mit einer Neuproduktion von "Der Besuch der alten Dame", die als exemplarisch bezeichnet werden darf.

Denn was Regisseur Keith Warner, Ausstatter David Fielding, das großartige ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Dirigent Michael Boder, der exzellente Arnold Schoenberg Chor sowie die Solisten hier geleistet haben, ist zeitgemäßes Musiktheater vom Feinsten, das in jeder Hinsicht unter die Haut geht.

Das beginnt bei Regisseur Keith Warner, der Friedrich Dürrenmatts (er hat selbst das Libretto verfasst) bitterböse, beklemmende Parabel über Geld und Gier, Liebe und Rache eindrucksvoll in Szene gesetzt hat. Ganz in Schwarz-Weiß und Grau präsentiert sich das heruntergekommen Städtchen Güllen, als die bunt gewandete Milliardärin Claire Zachanassian mit ihrer Entourage (samt schwarzem Panther) einfällt. Häuser, Züge, Gleise hängen als Kartonagen von der Decke; bunt wird es erst durch das Geld, den Konsum.

Ode an den Mammon

Eine Milliarde bietet Claire bekanntlich für den Tod des Alfred Ill, der ihr einst großes Unrecht angetan hat. Nach und nach erliegen die Dorfbewohner den Verlockungen des Mammon; Ills Schicksal ist besiegelt. Und die Szenerie wird immer schriller, greller, spektakulärer. Grandios!

Auch Dirigent Michael Boder, das gut geprobte RSO und der Arnold Schoenberg Chor loten Von Einems teils illustrative, dann zu heftigen Ausbrüchen oder zarten Zwischentönen tendierende Musik in all ihren Facetten aus.

Katarina Karnéus hat sich die Partie der Claire vokal wie darstellerisch beängstigend gut zu eigen gemacht und findet in Russell Braun einen guten, intensiven Alfred Ill. Raymond Very als Bürgermeister oder Adrian Eröd als Lehrer imponieren sehr; das übrige, große Ensemble weist kaum Schwachstellen auf. Bravo! So macht ein Jubiläum wirklich Sinn.