Thea Ehre und Cornelius Obonya auf der Berlinale: Trans Femme Fatale und Täter-Protokoll
Von Alexandra Seibel
Die Performance hätte sie einfach umgehauen, gestand die Jury-Präsidentin Kristen Stewart bei der Preisverleihung der 73. Berlinale, als sie den Silbernen Bären für die beste Nebenrolle ankündigte. Mit diesem Lob war die österreichische Schauspielerin und Trans-Aktivistin Thea Ehre gemeint, die für ihr einnehmendes Spiel als trans Frau in dem deutschen Wettbewerbsbeitrag „Bis ans Ende der Nacht“ von Christoph Hochhäusler ausgezeichnet wurde. Eine strahlende Thea Ehre nahm den Preis gerührt entgegen und bedankte sich bei ihren Eltern, „dass ihr mir immer den Raum gelassen habt, zu sein, wer ich sein wollte.“
In seinem Krimi greift Hochhäusler das klassische Noir-Motiv einer Liebesbeziehung zwischen einem Polizisten und einer Femme Fatale auf und erzählt sie mit einem Twist: Der Undercover-Cop ist schwul und trifft auf seinen Ex-Lover, der nun als trans Frau namens Leni lebt. Die beiden geben sich als Paar aus, um einen Drogendealer zu ködern.
Thea Ehre als Leni scheint von innen heraus zu leuchten und die soziale Misere um sie herum mit ihrem unschuldigen Licht zu erhellen. Gleichzeitig bleibt sie geheimnisvoll und spielt ihr eigenes, faszinierendes Spiel in einem Drama, in dem Identität und Begehren den Motor der Erzählung darstellen.
Geboren 1999 in Wels, studierte Ehre an der Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Wien und arbeitet als Schauspielerin und Performerin. „Bis ans Ende der Nacht“ ist zwar ihr Kinodebüt, doch das aufmerksame Fernsehpublikum kennt sie aus der Serie „Vorstadtweiber“, wo sie in zwei Folgen mitwirkte. Derzeit kann man sie auch im Volkstheater in der Performance „Fugue Four: Response“ sehen. Noch gibt es Tickets. Ab 3. März ist sie zudem in der Serie "Luden - Könige der Reeperbahn“ (Amazon Prime) zu sehen, die im Hamburger Rotlichtmilieu angesiedelt ist.
Schwer auszuhalten
In einer gänzlich unerwarteten Rolle war der österreichische Schauspieler Cornelius Obonya auf der Berlinale zu sehen: Der ehemalige „Jedermann“ spielt in „De Facto“, dem zweiten Langfilm der in Bosnien und Herzegovina geborenen und in Wien lebenden Regisseurin Selma Doborac eine schwerwiegende Rolle: Zwei Schauspieler – Obonya und der deutsche Darsteller Christoph Bach – sitzen an einem Tisch und sprechen, isoliert voneinander, horrende Texte, die von Folterungen, Vergewaltigungen und Exekutionen berichten: Gefilmt in langen Einstellungen, setzen sich ihre unerträglichen Täter-Monologe aus Gerichtsurteilen, Täterberichten und Zeugenaussagen zusammen.
Selma Doborac gibt am Ende ihres 130 Minuten langen Filmdokuments nicht preis, welche Originaldokumente sie als Textquellen benutzt hat; mit dem Effekt, dass sich die Gewaltbeschreibungen nicht in die Vergangenheit verabschieden lassen, sondern sich stattdessen neu aktualisieren. Dafür erhielt „De Facto“ auf der Berlinale den Caligari-Preis.