"Tamerlano": Domingo mit Alter Musik in Salzburg
Osmanischer Sultan wird von mongolischem Heerführer besiegt. Der eine heißt Bajazet, der andere Tamerlano (Vorbild ist Timur, der Lahme, daher der Name).
Tamerlano, urböse, tut Bajazet gegenüber auf lieb, weil er dessen Tochter Asteria heiraten will. Bajazet, total gekränkt, will das verhindern und schluckt am Ende Gift, um seinem Gegner nur nicht den Triumph zu gönnen. Das rührt Tamerlano, er heiratet eine andere (Irene), alles ist gut, nur Bajazet tot.
Das ist verknappt die Geschichte von Georg Friedrich Händels "Tamerlano", einer brillanten, einfallsreichen, fabelhaft orchestrierten, mit einem traurigen Grundton versehenen Oper. Und wir sehen wieder einmal: Oft sind die Mächtigen dieser Welt nicht von Inhalten, sondern von Bedürfnissen getrieben.
Das szenisch zu zeigen wäre für die Salzburger Festspiele lohnend gewesen. "Tamerlano" fand jedoch im Großen Haus nur konzertant statt, das aber musikalisch gewinnbringend.
Marc Minkowski brachte die Händel-Oper mit seinen Musiciens du Louvre Grenoble in einer ausgewogenen Mischung aus zarten Lyrismen und großer Dramatik zu Gehör, dazu farbenprächtig und transparent. Dass es trotz alter Instrumente und nicht allzu großer Besetzung keine akustischen Probleme gab, lag wohl daran, dass vor dem Eisernen Vorhang gespielt wurde.
Auch die Sänger trugen das Ihre zum Erfolg bei. Countertenor Bejun Mehta bestach mit klarer Höhe, Ausdrucks- und Strahlkraft und phänomenalen Verzierungen. Dieser Sänger befindet sich auf dem Zenit.
Gescheit
Apropos Zenit: Plácido Domingo, der Bajazet, singt derart klug, dass man das Gefühl hat, er habe diesen nie verlassen. Seine Stimme ist irgendwo zwischen Tenor und Bariton angesiedelt, er hat aber noch ein Timbre, von dem viele träumen. Jede Phrase ist berührend – auch wenn er stilistisch herausfällt. Seine Sterbeszene erinnert mehr an Verdi als an Händel.
Julia Lezhneva als Asteria bietet feine Spitzentöne und klare Koloraturen. Franco Fagioli (Andronico) singt mit seinem nicht allzu großen Countertenor sensibel, Marinna Crebassa (Irene) und Michael Volle (Leone) runden die famose Besetzung ab.
Programmatische Fragen
Dennoch stellt man sich programmatische Fragen. "Tamerlano" wurde von Händel unmittelbar nach der Oper "Giulio Cesare" geschrieben, die mit Cecilia Bartoli szenisch im Programm ist (Premiere: 23. 8.) – warum spielt man das nicht aufeinanderfolgend? So ist jede Produktion nur ein Solitär.
Das Eröffnungskonzert fand heuer mit alten Instrumenten statt (Gardiner und die Baroque Soloists), dank Harnoncourt (Concentus), William Christie (La Scintilla) und nun Minkowski gab es Erfolge – wird Salzburg mehr und mehr zu einem Festival Alter Musik?
Wie kann es sein, dass man für Aufführungen mit Stars wie Domingo offenbar problemlos Karten bekommt? Ist das Festspielhaus zu groß für Händel?
Oder gibt es in Salzburg doch schon zu viel des Guten?
KURIER-Wertung: **** von *****