Kultur

Starproduzent Chuck Lorre im Interview: Der Fernsehzauberer

Seine Serien kennt jeder, sein Gesicht kaum: Chuck Lorre ist der Mann hinter „Mein Cooler Onkel Charlie“, „Big Bang Theory“, „Cybill“, „Dharma & Greg“, „Young Sheldon“, „Mom“ und vielen mehr.

Alle Inhalte anzeigen

In Hollywood machte er sich erst einen Namen, als er 1991 Produzent von „Roseanne“ wurde und die Show zwei Jahre lang trotz Brechens aller Regeln zu einem der größten Fernsehhits aller Zeiten machte. Er formte Karrieren und scheute nicht davor zurück, Superstars zu feuern – Charlie Sheen kann ein Lied davon singen. In seiner neuen Serie, „The Kominsky Method“, geht es um alternde Entertainer, gespielt von Michael Douglas und Alan Arkin. Ein Gespräch über Showbusiness, Fernsehgewohnheiten und Älterwerden:

KURIER: Sie haben jahrzehntelang für das NBC gearbeitet, jetzt machen Sie eine Serie für Netflix. In welcher Hinsicht ist das anders?

Chuck Lorre: Es gibt keine Konditionen. Ich muss mich zeitmäßig nicht damit auseinandersetzen, dass ich in einer halben Stunde auch noch so und so viele Werbungen unterbringen muss. Und ich habe keine Zensur. Ich kann in Buchkapiteln denken und in Buchkapiteln produzieren. Weil alles gleichzeitig online ist. Das ist für einen Produzenten und Autor ein Riesenvorteil.

Wie ist die Idee für „The Kominsky Method“ entstanden?

Das hatte mit Altern zu tun. Ich wollte mich nicht lustig machen über den unvermeidlichen Verfall und die Klischees des Älterwerdens behandeln. Ich wollte etwas tiefer gehen und die Angst zeigen. Die Angst, dass die Gesundheit schwindet, dass nicht genug Geld vorhanden ist, dass man auf andere angewiesen ist.

Alle Inhalte anzeigen

Aber die Serie ist eigentlich eine Komödie.

So sagen die Leute. Manches ist ja auch witzig. Aber im Grunde ist es eine Liebesgeschichte über die Freundschaft dieser beiden Männer. Und ich wollte weniger Showbusiness-Bezogenes machen, weil mir das viel weniger interessant erscheint als Prostata-Probleme. Prostata-Probleme sind universal. Um das zu verstehen, muss man nicht im Showbusiness sein. Krankheit, den Partner verlieren, sich mit dem Tod auseinandersetzen, damit kann sich jeder identifizieren.

Wie haben Sie die beiden großen Namen als Hauptdarsteller bekommen?

Ich habe mit dem Drehbuch spekuliert und es Michael Douglas geschickt, der sofort ja gesagt hat, zu meiner großen Verwunderung und höchsten Freude. Dann folgte Alan Arkin, und wir brachten es zu Netflix, die schon mit Serien wie Grace & Frankie gezeigt haben, dass sie

nicht vor Themen zurückschrecken, die mit alten Menschen zu tun haben.

Ann-Margret hat eine Gastrolle, wird es noch andere geben?

Ja, Danny DeVito, Patti Labelle, Jay Leno… wenn du solchen Leuten sagst, hey, wir haben eine Serie mit Michael Douglas und Alan Arkin, dann überlegen sie nicht lange.

Was wenige wissen: Sie wurde als Charles Levine geboren. Warum haben Sie Ihren Namen geändert?

Chuck war einfach, weil das ja nur die Abkürzung von Charles ist. Dass ich Levine abgelegt habe, erscheint jedem logisch, der meine Familie kennt. Meine Mutter, die die Familie meines Vaters verabscheute, hatte leider die Gewohnheit, Levine immer nur als totale Beleidigung in den Mund zu nehmen. Jedes Mal, wenn ihr etwas gegen den Strich ging, hat sie geschrien: „Weißt du, was du bist?! Du bist ein echter Levine!“ Sie hätte auch Arschloch sagen können, denn das war, was

sie in Wirklichkeit ohnehin meinte. Das heißt aber auch, dass ich jedes Mal, wenn ich meinen Namen hörte, akute Minderwertigkeitsgefühle entwickelte. Meine erste Frau schlug vor, dass ich mir selbst helfe, indem ich einfach meinen Namen ändere. Lorre war ihre Idee. Dass die Aussprache in England gleich klingt wie Lkw, und ich somit Chuck Lastwagen heiße, war mir nicht klar. Ob meine Ex-Frau das absichtlich vorgeschlagen hat, weiß ich auch nicht, aber ich habe es verdient, denn ich war ein grauenhafter und nutzloser Ehemann.

Sie landen einen Erfolg nach dem anderen. Wissen Sie immer, dass eine Idee zum Hit wird?

Nein, weil ich mich immer nur auf mich selbst verlassen kann. Ich kreiere diese Figuren, und ich bin mein einziger Test, wenn ich am Schreibtisch vor dem Computer sitze. Ich muss mich fragen, ob mich die Geschichte interessiert. Mag ich die Charaktere? Möchte ich sie besser kennenlernen, will ich ihnen folgen, möchte ich meine Zeit mit ihnen verbringen? Ist es witzig? Ist es traurig? Bewegt es mich auf irgendeine Art? Habe ich Emotionen, ganz gleich welcher Art? Zorn, Angst, Freude… Es muss immer zuerst für mich selbst Sinn machen.

Ist die Serie ein bisschen autobiografisch? Ist eine der Figuren Ihnen nachempfunden?

Ich bin vor über 40 Jahren nach Hollywood gekommen, um Musiker zu werden. Und ich habe nicht bekommen, was ich wollte. Ich habe etwas Besseres bekommen, etwas, das ich mir in meinen wildesten Träumen nicht vorstellen konnte. Und das ist ein Teil dieser Story. So auf die Art „sei vorsichtig, was du dir wünschst…“, denn das Leben passiert dir und ist oft ganz anders als deine Vorstellung. Ich bin 1967 nicht hierher gezogen, um TV-Autor zu werden. Ich hatte eine Stratocaster im Gepäck. Ich wurde Fernsehautor, weil ich Krankenversicherung für meine Familie haben wollte und gehört habe, dass die Autorengewerkschaft in Hollywood eine hatte.