"Modeberater hatte ich keinen"
Von Marco Weise
Erfolg und Demütigung, Liebe und Hass, zwölf und null Punkte, das liegt oft nahe beisammen. Davon kann Thomas Forstner nicht "Nur ein Lied", sondern gleich zwei Lieder singen. Denn mit "Nur ein Lied" belegte der damals 19-Jährige aus Deutsch-Wagram in Niederösterreich beim Song Contest in Lausanne (1989) den respektablen fünften Platz und wurde hierzulande als Held gefeiert. Nur zwei Jahre danach kassierte er für "Venedig im Regen" in Rom die Höchststrafe: null Punkte. Zurück in Österreich, gab es für Forstner nur Spott und Häme. Eine Niederlage, nach der er im Musikbusiness nie wieder Fuß fassen konnte.
KURIER: Herr Forstner, wie sind Sie zum Song Contest gekommen?
Thomas Forstner: Ich habe in der Zeitung gelesen, dass Österreich von den schlechten Platzierungen genug hat, man deshalb Dieter Bohlen als Songwriter verpflichten konnte und noch einen Sänger sucht. Ich habe mich dann bei Dieter gemeldet, ihm ein paar Demos geschickt und wurde nach Hamburg eingeladen. Nur eine Woche später hatten wir schon einen Termin am Küniglberg, bei dem wir dem ORF "Nur ein Lied" präsentierten.
Wie sah die Zusammenarbeit mit Dieter Bohlen aus?
Nach ersten Probeaufnahmen bin ich zwei Wochen später noch einmal nach Hamburg geflogen, um in Bohlens Studio "Nur ein Lied" einzusingen. An diesem Tag wurde ich ziemlich vom Pech verfolgt.
Was ist passiert?
Joachim Horn-Bernges, von dem der Text zu "Nur ein Lied" stammt, hat mich vom Flughafen abgeholt. In der Osterstraße, am Weg in Richtung Tonstudio, hat uns dann ein Auto von der Seite gerammt. Ich bin nach dem Unfall trotz Sicherheitsgurt auf seinem Schoß gesessen, weil das Auto rechts bis zum Schalthebel eingedrückt war. Dann war ich auch noch total verkühlt und musste für die Aufnahmen vom Stimmarzt gesund gespritzt werden.
Sie belegten mit "Nur ein Lied" den guten fünften Platz. Wie wurden Sie in Österreich empfangen?
Viele Leute wissen heutzutage gar nicht mehr, was sich damals abgespielte. Da waren Hunderte Fans bei meinen Autogrammstunden – etwa in der Wiener Diskothek Queen Anne oder beim Hartlauer in der Meidlinger Hauptstraße. Es war unglaublich, was da los war.
Sie trugen beim Auftritt einen fliederfarbenen Anzug, für den Sie oft belächelt wurden...
Ich habe von Anfang an die Aufregung rund um den Anzug nicht verstanden. Es war nur ein Kleidungsstück, ein Bühnenoutfit, das auch nicht für den Alltag gedacht war. Abgesehen davon hat man das zu dieser Zeit so getragen – wir lagen damit total im Trend.
Wer hat den Anzug ausgesucht?
Ich, denn Modeberater hatte ich keinen. Als Vorbild für den Anzug habe ich einen von meiner Mutter verwaschenen Blazer genommen, der ursprünglich beige und nach dem Waschen blau-violett war. Das hat mir dann so gut gefallen, dass ich mir bei Degenfeld, der damals der Ausstatter für den ORF war, dieses Outfit ausgesucht habe.
Warum gab es keine weitere Zusammenarbeit mit Dieter Bohlen?
Wir haben noch ein weiteres Lied aufgenommen: "Wenn nachts die Sonne scheint". Ein totaler Flop, und für meinen Geschmack auch viel zu schlagerhaft. Danach hatten wir kaum noch Kontakt, aber vielleicht sollte ich den Dieter wieder einmal anrufen.
Wie groß war die Enttäuschung nach dem letzten Platz mit "Venedig im Regen"?
Zweigeteilt. Kurz nach dem Auftritt, während der Wertung und bis zum Schluss der Veranstaltung war die Enttäuschung grenzenlos, weil diese Niederlage überraschend und völlig unvorhersehbar war. Denn das Saalpublikum war begeistert, die Buchmacher hatten uns gute Chancen auf den Sieg eingeräumt, und dann steht man plötzlich mit null Punkten an der letzten Stelle. Da fragt man sich dann schon, wie das passieren konnte. Als ich zurück in Österreich war und mir meinen Auftritt im Fernsehen angesehen hatte, war das Rätsel gelöst. Ich hätte mir auch keine Punkte gegeben: Es lag am schlechten Sound, der im Fernsehen zu hören war – meine Stimme klang grauenhaft.
Warum haben Sie danach der Musik den Rücken gekehrt?
Das hatte mehrere Gründe. Einerseits war es so, dass ich zwischen Mai 1989 und Februar 1990 mehr als 300 Konzerte gegeben habe. Es gab Tage, an denen ich zwei, drei Mal aufgetreten bin. Das war Wahnsinn und Grund genug, etwas leiser zu treten. Andererseits war es der ewige Kampf mit Plattenfirmen, Komponisten und Textern. Wir konnten uns auf keinen Sound einigen, mit dem alle zufrieden gewesen wären.
Und Schlager wollten Sie nicht machen?
Nein, genau aus diesem Grund habe ich als 19-Jähriger auch den Vertrag mit der Plattenfirma Ariola abgelehnt, da mich die Verantwortlichen ins Schlagerfach drängen wollten. Jahre danach habe ich mich überreden lassen und ein Album mit deutschen Texten, guten Songs im modernen Schlagerbereich aufgenommen. Mein Produzent schickte diese Aufnahmen dann an mehrere Plattenfirmen, die das anfangs auch veröffentlichen wollten. Als sie aber erfahren haben, dass ich, also Thomas Forstner, dahinter stecke, haben sie abgesagt. Das lag wohl am Fax, das mir mein Produzent zeigte. Da stand drauf: "Thomas Forstner ist eine Persona non grata. Finger weg!" Diese Nachricht ging an alle großen Plattenfirmen in Europa. Totaler Boykott! Wie ich das gehört habe, war das Kapitel Musik für mich beendet. Ich habe einen sicheren Job gebraucht und mich dazu entschlossen, in die IT-Branche zu wechseln.
Könnten Sie sich vorstellen, eine neue Platte aufzunehmen?
Mit dem richtigen Team und Song, sehr gerne. Mich erreichen ja immer noch diverse Anfragen à la "Sehr geehrter Herr Forstner, ich habe bereits für Claudia Jung geschrieben, wollen Sie nicht auch ein Lied von mir singen." Nein, will ich nicht! Ich will moderne, sinnvolle, ausdrucksstarke Musik machen.
Haben Sie den Sieg von Conchita Wurst live mitverfolgt?
Seit meinem Auftritt in Lausanne 1989 verfolge ich den Song Contest – auch Conchitas Sieg habe ich live im Fernsehen miterlebt. Mich interessiert dabei die Entwicklung dieser Großveranstaltung, bei der die Qualität der Beiträge jahrelang stark abgenommen hat. Eine gewisse Richtungsänderung zum Guten konnte man dann vor fünf Jahren mitverfolgen.
Was ist da passiert?
Da hat Lena Meyer-Landrut mit einem tollen Song für Deutschland gewonnen. Danach ist es nicht mehr nur darum gegangen, möglichst wenig anzuhaben und aufzufallen, sondern man legte wieder mehr Wert auf die künstlerische Leistung und auf die Komposition. Also auf das, was der Song Contest eigentlich ist – ein Komponistenwettbewerb.
Wie bewerten Sie Conchitas Sieg?
Die Konkurrenz bei Conchitas Sieg war stark. Sie hat also nicht gewonnen, weil es keine Alternativen gab, sondern weil sie einen tollen Aufritt hinlegte, gut gesungen und super ausgeschaut hat. Ich wusste sofort, dass sie am Ende ganz vorne dabei sein wird. Und so ein Gefühl hat man selten, denn normalerweise kann man das überhaupt nicht einschätzen: Der Song Contest ist eine eigene Welt ohne Gesetze.
Welches Gefühl haben Sie bei The Makemakes?
Ohne das jetzt böse zu meinen: Sind wir froh, dass The Makemakes nicht im Semifinale antreten müssen, sondern im Finale gesetzt sind. Denn ich glaube nicht, dass sie es sonst ins Finale geschafft hätten. Nicht weil die Jungs schlechte Musiker sind, sondern weil mir in der Nummer und im Vortrag eine gewisse Intensität fehlt.