"Rock me, serbische Discokugel"
Zwischen überschwänglichem Lob ("alles wunderbar") und derbem Hinhauen ("Scheißsendung") schwankten die internationalen Reaktionen auf die erste Live-Übertragung des ORF vom 60. Eurovision Song Contest. Die deutschen Kommentatoren konnten sich aber auf zwei Dinge einigen: Der Pausenfilm mit den Haustieren war etwas zu albern. Und Conchita Wurst ist eine tolle Gastgeberin.
"Ungewohnt dezent und geschmackvoll war das Ambiente des Abends: Die tanzenden Deckenkugeln, die Moderatorinnen, selbst die in der Vergangenheit oft hochnotpeinlichen Einspielfilmchen vor den Auftritten: alles wunderbar. Ungeschlagen allerdings die wirklich umwerfend charmante Sympathieträgerin Conchita Wurst, die als empathische Green-Room-Korrespondentin vielleicht sogar noch besser war denn als Siegerin." ...
"Eine einzige offen alberne Idee gab es, die dem Trullala-Charakter des ESC gebührend Rechnung trug: In einem Einspielfilm führten während der Voting-Pause die Haustiere der Moderatorinnen durch die Stadt."
Spiegel.de (Link)
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"Der Auftakt war ein gelungener. Und das nicht wegen, sondern trotz des Moderatoren-Trios um Arabella Kiesbauer. Dass in Wien eine Dame aus der Versenkung geholt wird, die in Deutschland in den 90er Jahren mit einer Hausfrauen-Nachmittagstalkshow berühmt wurde, ließ Schlimmes befürchten. Doch die Moderatoren blieben wohltuend im Hintergrund. Umso mehr konnte Österreichs Kaiserin, Vorjahressiegerin Conchita Wurst, glänzen. Sie eröffnete die Show mit "Rise Like A Phoenix" und Wien tanzte. Leiwand! Ein rechter Schaaß, wie der Österreicher sagt, war eigentlich nur der Pauseneinspielfilm mit einem Pferd aus der Spanischen Hofreitschule, das - aufgepasst - Geld abhebt. Freud betrieb seine Witzforschung wohl aus gutem Grund in Wien."
"Rock me, serbische Discokugel!" ... "(Bojana Stamenov, Anm.) hat gezeigt, wie man mit einem kuriosen Auftritt überzeugen kann."
Stern.de (Link)
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Über den Pausenfilm: "Da hatte jemand eine Idee und merkte nicht, dass sie alles andere als gut war. Gottseidank aber hat der ORF Conchita Wurst. Selbst wer sie nicht mag, konnte endlich einmal dankbar sein, dass wenigstens eine „Frau“ an dem Abend charmant, witzig und perfekte Gastgeberin war."
"Zu hören gab es viele langweilige Nummern. Nur zwei der gewählten Finalisten haben das Weiterkommen wirklich verdient."
FAZ.net (Link)
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"Was für eine Scheißsendung. Die Qualität des Humors, des Drehbuchs und der Einspieler war genau so schlecht wie der dänische Beitrag. (...) Mit Ausnahme von Conchita Wurst war die Sendung null Punkte wert. Oder besser gesagt, minus zwölfeinhalb."
Aftonbladet, Schweden (Link)
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„Ist Dick das neue Schwul?"
Blick.ch, Schweiz, über die serbische Powerfrau mit der sensationellen Stimme
Bilder: Das war das erste Halbfinale
Im Austragungsland hat der 60. Eurovision Song Contest erfreulich hohes Seherinteresse hervorgerufen: Im Schnitt verfolgten am Dienstagabend ab 21.00 Uhr 771.000 Zuseher die Präsentation der 16 Songs des ersten Semifinales. Das entspricht einem Marktanteil von 31 Prozent. Quoten-Höhepunkt waren die Teilnehmer 6 bis 12 mit über 800.000 Interessierten.
NachspielAuch Vorprogramm und Nachspiel standen hoch in der Sehergunst: Beim "Countdown mit Andi Knoll" um 20.15 Uhr waren 450.000 bei 18 Prozent Marktanteil dabei. Auf eine Reichweite von 662.000 und einen Marktanteil von 38 Prozent kam dann "Die Entscheidung" um 22.50 Uhr, bei der die Finalisten verkündet wurden.
Also die erste Show: Hut ab, oder Bart – das hat gewuppt (© Kathi Zechner). Echt knorke! Nicht im geringsten voll die Seuche! (verzeihen Sie den Widerspruch, verehrter Tex Rubinowitz! Eh nur im Ansatz . . .)
Schon der Einzug von Conchita: Das hatte Klasse und war dufte. Conchita war, nicht nur erhofftermaßen, sondern auch realiter die Trägerrakete Richtung Internationalität. So kann und muss eine große Gala beginnen. Schön, dass man keinen einzigen Landesfürsten in der ersten Reihe sitzen sah. Dann tauchten die drei Moderatorinnen auf – und wir waren zurück in Österreich.
Daran ist a priori nichts schlecht, aber das Drehbuch, diese Phrasendrescherei... klischeehaft und enttäuschend. Ebenso wie die Kostüme – mit Ausnahme des Smokings von Mirjam Weichselbraun. Sie ist nach Conchita die Beste. Alice Tumler präsentierte sich auch recht gut. Beeindruckend sind beider Englisch- und Französisch-Kenntnisse.
Der Topstar des ersten Semifinales war jedoch die Bühne. Es ist gigantisch, welche Stimmungen und Effekte damit zu erzielen sind. Seit dem "Ring des Nibelungen" in der Inszenierung von Robert Lepage an der New Yorker Metropolitan Opera, der teuersten Opernproduktion, die es bis dato gab, hat der Autor dieser Zeilen so etwas nicht mehr gesehen. Einen wilden Ritt der Walküren gab es da wie dort. Hojotoho!
Noch etwas lässt sich bereits sagen: Es war die richtige Entscheidung, den Contest in Wien auszutragen. Eine derart kosmopolitische Stimmung wäre in den Bundesländern nicht zu erzeugen gewesen.
Aber kommen wir zur Musik, um die es dem Vernehmen nach ansatzweise ebenso geht: Die war nicht so peinlich wie befürchtet. Der bisherige Favorit Ihres Musikkritikers: Der Beitrag aus Estland namens "Goodbye to Yesterday". Elina Bom & Stig Rästa, die Protagonisten, sind sympathische junge Menschen, singen im Vergleich zu vielen anderen präzise, können intonieren wie langjährige Profis. Und ihr balladenhafter Beitrag verfügt über melodische und harmonische Raffinessen.
Ebenfalls Qualität hat der Song der serbischen Beth-Ditto-Variation Bojana Stamenov. Sie singt von Andersartigkeit, mit großem Volumen, für klassisch geübte Ohren vielleicht zu stark mit der in Musicals strapazierten Technik des Beltens.
Verdientermaßen ausgeschieden sind die Finnen. Selbstverständlich hätte man den Punks persönlich den Aufstieg gegönnt. Andererseits ist das wahre Gleichberechtigung: Wenn man sie auch an musikalischen Maßstäben misst. Die Performance war wirklich übel.