Baku im Fokus: "Irgendwas stimmt nicht ganz"
Mein Haus soll auch zerstört werden. Bitte, zerstört mein Haus! Es ist schon 90 Jahre alt, ich will auch ein neues Haus!" Bei einer Pressekonferenz der Initiative "Sing for Democracy" am Dienstag spielen sich seltsame Szenen ab. Eine Schar regierungsfreundlicher aserbaidschanischer Journalisten tut alles, um den Oppositionellen das Wasser abzugraben. Enteignungen? Geh bitte, die sollen doch froh sein, dass sie ihre alten Hütten los sind. Journalisten, die im Gefängnis sitzen? Das sind in Wirklichkeit gar keine Journalisten. Dafür wird den Kritikern des autoritären Regimes unter Präsident Ilham Alijew mangelnde Solidarität mit dem eigenen Land vorgeworfen: "Warum hassen Sie Aserbaidschan so sehr?"
Die aserbaidschanische Hauptstadt Baku ist in diesen Tagen nicht nur Austragungsort des Song Contests, sondern auch einer politischen Auseinandersetzung. Die Opposition versucht, die Anwesenheit zahlreicher ausländischer Journalisten zu nützen, um auf Missstände hinzuweisen. Die Regierung hält dagegen – soweit das unter den Augen der europäischen Öffentlichkeit möglich ist. Erst am Montag wurde in der Innenstadt von Baku eine Kundgebung gewaltsam aufgelöst. Ein Online-Portal berichtet, dass Demonstranten in Busse gezerrt, verprügelt und schließlich 60 Kilometer von der Hauptstadt entfernt ausgesetzt worden seien.
Die Lage habe sich in den letzten Monaten nicht verbessert, sondern eher verschlechtert, sagen die Initiatoren von "Sing for Democracy". Und das werde so weitergehen. 2013 finden in Aserbaidschan Wahlen statt, die "sicher nicht fair und demokratisch ablaufen werden".
Disneyland
Es ist dem Engagement der Opposition zu verdanken, dass Baku während des Song Contests nicht zur reinen Werbebühne verkommt. Die Regierung hat sich große Mühe gegeben, das von den Song-Contest-Delegationen frequentierte Zentrum der Stadt in eine Art Disneyland zu verwandeln: Die Straßen sind pikobello sauber, die Menschen freundlich und die Fassaden renoviert. Bis in die Nacht hinein werden Blumen gepflanzt und Hecken gestutzt. Die extra für den Song Contest errichtete Konzerthalle funkelt von der anderen Seite der Bucht herüber.
Alles sehr schön. Zu schön, finden auch viele Besucher: "Man hat das Gefühl, irgendwas stimmt nicht ganz."
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