Kultur

"Room 237": Das Geheimnis der Dose

Laut Martin Scorsese zählt Stanley Kubricks Horrorfilm „The Shining“ zu den elf schaurigsten Werken der Filmgeschichte. Stephen King wiederum, auf dessen Bestseller „The Shining“ beruhte, hasste den Film. Zu sehr war der Regie-Exzentriker von Kings Original abgewichen. Auch die Kritik zeigte sich beim Kinostart 1980 gespalten. Erst im Nachhinein, wie oft bei Kubrick, wurde dessen Originalität erkannt.

Mittlerweile zählt die Geschichte vom Familienvater Jack Torrance, der sich mit Frau und Kind in dem einsamen Overlook-Hotel einmietet und dort langsam durchdreht, zu den Klassikern des Genres. Unvergesslich, wie Jack Nicholson als blockierter Schriftsteller vor der Schreibmaschine sitzt und seitenlang immer nur einen Satz tippt. Wie er mit der Axt durch die Wand schlägt („Here is Johnny!“), um seine Frau zu meucheln. Oder wie sein Sohn Danny mit dem Go-Kart durch die Hotelgänge fährt und tote Kinder sieht.

Als er das erste Mal den Film im Kino sah, hätte er sich vor lauter Angst an der Sessellehne festklammern müssen, erzählt Bill Blakemore. Blakemore ist US-Journalist und einer von fünf obsessiven „Shining“-Fans, die der Filmemacher Rodney Ascher für seine Doku „Room 237“ interviewte. Sie alle sind davon überzeugt zu wissen, wovon „Shining“ wirklich handelt.

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Backpulver

Blakemore ist sicher, dass „The Shining“ vom Genozid an den Indianern erzählt. Dafür findet er vielfache Hinweise – etwa Backpulver-Dosen, die mit dem Gesicht eines Häuptlings verziert sind. Für den Historiker Geoffrey Cocks handelt das Horrordrama eindeutig vom Holocaust. Das fängt damit an, dass Jack Torrance auf einer deutschen Schreibmaschine namens Adler schreibt – ein zweifelsfreier Hinweis auf Faschismus. Auch die Wiederkehr der Zahl 42 findet Cocks verdächtig. Wurde doch 1942 die „Endlösung“ der Juden beschlossen. Und je länger Cocks seine Theorien ausbreitet, desto schlüssiger scheinen sie auch.

Die witzigste, weil abwegigste Verschwörungstheorie stammt von Jay Weidner. Er schwört Stein und Bein, dass Kubrick in „The Shining“ ein verschlüsseltes Geständnis ablegen wollte. Kubrick, so behauptet Weidner, habe im Auftrag der NASA die berühmten Bilder von der Mondlandung der Apollo gefälscht. Nicht auf dem Mond seien diese Aufnahmen entstanden, sondern im Studio. Geplagt von schlechtem Gewissen hätte der Regisseur Indizien hinterlegt. Zum Beispiel das berüchtigte Hotelzimmer, „Room 237“: In ihm fanden die grausamen Kernereignisse von „Shining“ statt. Aber „Room No. 237“ würde auch das Wort „Moonroom“ beinhalten. Ein Hinweis auf die Mondlandung. Ganz zu schweigen von Dannys Pullover, auf dem die Apollo zu sehen ist.

Regisseur Ascher verzichtet darauf, die Gesichter seiner Interviewpartner zu zeigen. Stattdessen (über)bebildert er deren Argumentation mit Szenenanalysen und Filmclips – von „Eyes Wide Shut“ bis zu „Schindlers Liste“. Manchmal produziert er damit zwingende Logik, manchmal nur Willkür. Auch der dem Horrorfilm nachempfundene Soundtrack klingt öfter penetrant als stimmungsvoll.

Insgesamt ist „Room 237“ also eine etwas schludrige Arbeit. Sie beweist jedoch famos, was für Strahlkraft intellektuelle Filmkunst ausüben kann. Und danach sieht man „Shining“ mit anderen Augen.

Info: Room 237. USA 2012. 102 Min. Von Rodney Ascher. Mit Bill Blakemore, Geoffrey Cocks, Julie Kearns.

KURIER-Wertung: **** von *****

Ein 18-Jähriger übernimmt für seinen Freund ein Paket. Leider ist es voll mit Ecstasy-Pillen, die Polizei stürmt herein und verhaftet den Burschen wegen Drogenbesitzes. Ihm blühen bis zu zwanzig Jahre Gefängnisstrafe – es sei denn, er verpfeift seine Freunde.

Zum Glück hat er einen verkappten Action-Helden zum Vater: Dwayne Johnson aka The Rock spielt den verzweifelten Papa nicht sonderlich nuanciert; am meisten überzeugt er noch, wenn er Muskeln zeigt. Doch in dem auf harten Realismus ausgerichteten Action-Thriller, der das Drogenmilieu ausleuchten möchte, wirkt er immer ein bisschen wie eine Comic-Figur. Dafür brilliert Susan Sarandon als ehrgeizige Staatsanwältin – und auch der Rest der Besetzung bietet genügend Schwerkraft.

Info: The Snitch. USA 2013. 112 Min. Von Ric Roman Waugh. Mit Dwayne Johnson, Jon Bernthal, Susan Sarandon.

KURIER-Wertung: *** von *****

Das menschliche Leben hat sich auf den Planeten Nova Prime verlagert. Ein General und sein Sohn stranden mit ihrem Raumschiff auf der unbewohnbaren Erde. Weil der Vater verletzt ist, muss der Sohn die beiden retten. Will Smith hat den Stoff von „After Earth“ für sich und seinen Sohn Jaden entwickelt. Doch die Fusion aus Drama und Action von M. Night Shyamalan kann die Entwicklung der Vater-Sohn-Beziehung nicht glaubwürdig rüberbringen und bleibt so oberflächliche, wenn auch mitunter spannende Unterhaltung.

Ein Interview mit Will Smith zu "After Earth" finden sie hier.

Info: "After Earth". USA 2013. 100 Min. Von M. Night Shyamalan. Mit Will und Jaden Smith, Sophie Okonedo und Zoe Isabell Kravitz.

KURIER-Wertung: *** von *****

Eine Hommage des Regie-Altmeisters Alain Resnais an die Kraft des Theaters: Ein berühmter Theaterregisseur versammelt nach seinem Tod per Testament 15 seiner liebsten Schauspieler, um ihnen eine Verfilmung von Jean Anouilhs Theaterstück „Eurydice“ vorzuspielen. Der Gag dabei: Die Mitwirkenden sind die Crème der französischen Schauspielzunft – von Michel Piccoli bis Mathieu Amalric. Gekonnt verschmilzt Resnais dabei Film, Theater und die persönlichen Erinnerungen seiner Schauspieler.

KURIER-Wertung: **** von *****

Im dritten Teil von Richard Linklaters erstklassiger Beziehungsgeschichte, die vor knapp zwanzig Jahren in Wien in „Before Sunrise“ ihren Anfang nahm, sind die Französin Celine (Julie Delpy) und der Amerikaner Jesse (Ethan Hawke) ein verheiratetes Paar mit Kindern. Während eines Familienurlaubs in Griechenland stellen sie ihre Beziehung auf die Probe – in langen Gesprächen, die zuerst leichtfüßig beginnen, dann aber zunehmend schärfer im beinharten Ehematch kulminieren. Hervorragend inszeniert und gespielt.

KURIER-Wertung: ***** von *****

Starbesetzte, mittellustige Komödie über ein längst geschiedenes Paar, das anlässlich eines Familientreffens so tut, als wäre es noch verheiratet.

KURIER-Wertung: *** von *****