Kultur

Rapid, Austria und der große Intendant

Nach Shakespeare ("Richard II.", "Heinrich IV"., "Hamlet"), Kafka ("Der Prozess") und Schiller ("Die Räuber") haben sich Gernot Plass und sein Ensemble DEN deutschsprachigen Klassiker vorgenommen: Goethes "Faust". Premiere ist am Samstag im Theater in der Gumpendorfer Straße (TAG), in Wiens vielleicht interessantestem Off-Theater.

Plass’ Technik ist die der "Überschreibung": Er bearbeitet die Stücke nicht, er schreibt sie gleich neu – allerdings verhält er sich dem Original gegenüber nie respektlos. Plass: "Wir nehmen den Motor heraus und bauen eine neue Karosserie drüber. Es ist das gleiche Stück, aber ein anderer Text." Faust-Darsteller Gottfried Neuner ergänzt: "Wir bringen dem Text viel Achtung entgegen."

Plass’ Klassiker-Adaptionen sind eine Erfolgsgeschichte. Sie werden vom Publikum gestürmt, von den Kritikern gefeiert, für Preise nominiert. Plass: "Das ist schön und gibt uns Sicherheit." Die Inszenierungen sind Wort-Konzerte, Chor-Passagen wechseln sich mit Monologen und Dialogen ab, das Tempo ist hoch. Plass: "Für die Schauspieler ist das schwierig, denn sie können den Text nicht allein zu Hause lernen. Es ist wie ein Mannschaftssport."

Neuner, der schon als Richard und Hamlet glänzte, gefällt genau das. "Ich mag die Musikalität. Und ich mag die Kombination aus einer strengen Form und einer sehr heutigen Sprache."

Im Hamlet geht es ja um die Existenzfrage – Sein oder Nichtsein? – Faust dagegen will wissen, "was die Welt im Innersten zusammenhält". Plass: "Es geht um den ewigen Erkenntnisdrang des Menschen. Dazu kommt im zweiten Teil: Welt umgestalten, Welt erzeugen."

Plass sieht in "Faust" einen verborgenen Shakespeare: "Goethe war in seiner Jugend ein großer Shakespeare-Verehrer. Das Stück ist unheimlich gut gebaut, auch witzig und zum Teil sehr derb." Später habe Goethe dann den Prolog im Himmel und das Vorspiel im Theater dazu geschrieben. Plass: "Das ist diese elisabethanische Geste. Ihr lieben Leute, wir spielen hier Theater!"

Und wie immer bei Plass ist seine Inszenierung auch eine (gut getarnte, keine Angst!) Philosophie-Vorlesung. Plass: "Es geht um die Metapher des Theaters. Eine Welt wird erzeugt, und Zuschauer schauen von außen in diese Welt. So könnte ja auch ein Gott von außen auf ein Welttheater schauen – ein großer Universums-Intendant. Und dann gibt es die Kraft, die verführt. Am Ende deute ich den Mephisto um, in eine helfende Kraft."

Traumrolle

Ist der Faust eine Traumrolle? Neuner: "Insofern, als die Figur des Faust sich nicht nur auf seinen Wissensdrang, seinen Kopf beschränkt, sondern ein Mensch wird, mit all seinen Begierden. Ich habe ja schon den Mephisto gespielt, und dachte, er ist die bessere Rolle, aber heute finde ich, beides sind Traumrollen." Plass: "Mephisto oder Faust – Rapid oder Austria? Mephisto ist ein Typ, hat eine Position. Faust ist schillernder, menschlicher. Er ist ein großer Vergesser. Er wird verjüngt, entdeckt seinen Trieb – und all seine Erkenntnisnöte sind sofort vergessen."

Und am Ende sind fast alle tot. Plass: "Wie bei Shakespeare!"