Kultur

Puls4-Elefantenrunde: Schnitzel und Klorollensemmerl

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

Es wurde also elefantengerundet. Der Privatsender Puls4 hatte die erste Debatte der Spitzenkandidaten der aussichtsreichen Parteien, also inklusive Peter Pilz. Corinna Milborn und Thomas Mohr gaben die Elefantendompteure und eröffneten mit einer Frage an Sebastian Kurz: War es gescheit, in Neuwahlen zu gehen?

Eheberatung

Kurz: „Aus meiner Sicht ja. Ich habe die letzten Jahre in der Regierung miterlebt, es gab nicht genügend Einigkeit.“ (Zwei Erkenntnisse: Kurz ist ehrlich und war die letzten Jahre tatsächlich in der Regierung, sonst tut er ja meistens so, als wäre er diesen Sommer vom Himmel gefallen. Offen blieb: War er an der nicht genügenden Einigkeit beteiligt?)

Kern erklärt, was Verantwortung bedeutet: Dieselbe zu übernehmen, nicht nur, wenn die Sonne scheint. (Wäre vielleicht ein guter Slogan, um Bundeskanzler von Finnland, Island oder Alaska zu werden.) Und dann sagt er tatsächlich: „Wir wollen diesen Weg weitergehen, wir brauchen Veränderung.“ (Das klingt nach einer Pointe von Nestroy oder einem Refrain von Grönemeyer.)

Kurz sagt: „Es ist nie eine Seite schuld, egal, ob in einer Ehe oder einer Koalition“, und so manches Ehepaar ist jetzt froh, dass Kurz Politiker wurde und nicht Eheberater.

Pilz sagt: „Ich bin wirklich kein Freund der SPÖ.“ Kern sagt: „Das kann ich bestätigen.“ (Endlich einmal Einigkeit – und trotzdem eher keine Basis für eine Koalition.) Pilz sagt weiters: „Wir haben einen schwarzen Betonblock, Kurz hat gesagt, streichen wir den Betonblock türkis und sagen, er ist eine Bewegung.“ (Klingt irgendwie nach einem Kunstprojekt.)

Strache beginnt seine erste Wortmeldung mit „Jo…“ Dann will er sagen: „Das einzige, was in diesem Land abgeschoben wird, ist die Verantwortung.“ Er versemmelt aber die Pointe, weil er sich nicht zwischen dem Verb „abschieben“ und dem Hauptwort „Abschiebung“ entscheiden kann.

Kurz klagt mit trauriger Stimme, dass hier „jeder den anderen schlecht macht“. Strache attackiert Kurz‘ Integrationspolitik: „Ja, da brauchen’S ned rot werden.“ (Kurz bemüht sich nach Kräften, nicht rot, sondern türkis zu werden.) Kurz klagt mit noch traurigerer Stimme, dass hier jeder „den anderen anpatzt“ und sagt dann die wichtigsten Worte seines Wahlkampfs: „Balkanroute, Mittelmeerroute“.

Kern zitiert Michael Häupl, und zwar nicht mit „Man bringe den Spritzwein“ oder „Da geh i ham“, sondern mit „Wahlkampf ist eine Zeit der fokussierten Unintelligenz“. Und fügt hinzu: „Damit hat er untertrieben.“ (Wir würden es nie wagen, einem Bundeskanzler zu widersprechen, jedenfalls nicht an dieser Stelle.)

Lunacek warnt vor Schwarzblau, sagt das hässliche Wort „Hyposkandal“ und beklagt Dürren und Unwetter (woran allerdings ausnahmsweise nicht Schwarzblau schuld ist, sondern der Klimawandel).

Socken

Strolz sagt: „Ich bin immer da.“ (Was den Schluss zulässt, dass er auf seinem Weg vom Baumumarmer zur Gottheit schon recht weit gekommen ist.) Und: „Mir geht das ganze ,Hau den Lukas‘ auf den Socken.“ (Erstaunlicherweise ersetzt Strolz hier sein Lieblingswort aus den bisherigen TV-Auftritten – also Orsch – durch das anatomisch doch deutlich vagere Socken.) Und dann sagt er: „Weg mit Taktik, her mit Tempo!“ (Sollte es mit dem Parlament nicht mehr klappen, könnte sich Strolz als neuer Fußballteamchef bewerben.)

Die Moderatoren Corinna Milborn und Thomas Mohr geben das Thema Gerechtigkeit vor. Strolz spricht vom „Verwaltungsspeck“ und klingt wie eine alte Telering-Werbung. Kern erklärt, ein Nicht-Reicher müsste zum Ausgleich seines Startnachteils „acht Mal auf die Welt kommen“ und nennt das (zu Recht) „unrealistisch“. Kurz ärgert sich über die „Verschwendung von Steuergeld“ und hat nicht unrecht. Lunacek antwortet, die ÖVP „ist seit 31 Jahren dabei“ und hat noch nichter unrecht.

Strolz spricht von „Sauereien, die im schwarzroten Filz blühen“ (was eine gewagte Metapher ist, aber der Mann ist schließlich Dichter). Und fügt hinzu: „Strache hat nicht immer unrecht, nur ab und zu.“ (Strache schaut ein wenig verwirrt.)

Kern kennt offenbar eine alte Dame, die zehn Euro pro Monat für ihren Enkel zahlt, jedenfalls erzählt er von ihr. Strache antwortet darauf mit einer Geschichte über Asylwerber im Sozialsystem. Kern antwortet darauf wiederum mit dem Verweis auf den Hyposkandal. Beide gehen in Saft und es wird mit Begriffen wie „Kaugummi auf der Schuhsohle“ und „Äpfel und Birnen“ operiert.

Kurz beklagt mit sehr trauriger Stimme das „gegenseitige Anpatzen“.

Pilz kennt offenbar einen „Buchhändler in Oberpullendorf“, der mehr Steuern zahlt „als ein großer Konzern“. (Falls Sie einmal nach Oberpullendorf kommen, unterstützen Sie die lokale Wirtschaft und kaufen Sie regionale Produkte, wie z. B. Bücher.)

Längere Minuten

Corinna Milborn macht Pilz darauf aufmerksam, dass er seine Redezeit (eine Minute pro Wortmeldung) weniger gut ausnutzt als andere, weil er „weniger Worte pro Minute“ sagt. Pilz gibt die einzig mögliche Antwort: „Na dann machen wir doch die Minuten länger.“

(Einschub: Der Autor dieser Zeilen wäre bereit, ohne Wenn und Aber jener Partei seine Stimme zu geben, die garantiert, die Minuten bei Fernsehdiskussionen kürzer zu machen.)

Lunacek wiederholt mehrmals ihre wichtigste Wahlkampfbotschaft: „Schwarzblau!“ Und dann folgt der ein wenig rätselhafte Satz: Unter Schwarzblau „musste man mit Bankomat ins Spital“ (klingt irgendwie … schmerzhaft).

Strolz ruft mehrmals „Bildung, Bildung!“, was merkwürdig ist, denn es hat keinen Bezug zur Diskussion (vielleicht ist es aber als Kritik derselben gemeint).

Strache beklagt mit trauriger Stimme, dass „berechtigte Kritik als Anpatzen abgetan wird“ und beschreibt damit perfekt den Stil seiner Partei.

Die Runde taumelt ins Thema „Parteispenden“. Kurz sagt: „Wenn in Österreich etwas Dubioses stattfindet, findet es im Verborgenen statt.“ Lunacek antwortet: „Bei Ihnen findet es ganz offen statt.“ Strolz sagt: „Bei uns kann man alles nachvollziehen, bis zu jedem Klorollensemmerl.“ (Neos-Wähler fragen sich seitdem angstvoll: Was ist ein Klorollensemmerl und was macht man damit?)

Grasserstrache

Kurz patzt die SPÖ an wegen der angeblichen Haselsteiner-Spende – und Pilz lässt sich die Anpatzer-Pointe nicht entgehen. Pilz sagt außerdem: „Der nächste Schüssel heißt Kurz, der nächste Grasser heißt Strache.“ (Strache schaut ein wenig sorgenvoll – was heißt das in Bezug auf Fiona?)

Strolz versucht, die Sendung zu entführen, und sagt tatsächlich: „Lassen wir den Herrn Strolz ans Wort mit einem Vorschlag!“ Strache attackiert daraufhin (aber nicht deshalb) Moderatorin Corinna Milborn, die aber extrakühl bleibt. Strache erklärt sehr wortreich, warum die FPÖ (heute) mit der FPÖ (früher) aber sowas von überhaupt nichts zu tun hat. (Außer dem F und dem P. Und dem Ö.)

Strolz (noch immer im Glauben, er sei der Moderator): „OK, machen wir weiter!“

OK, alle machen weiter.

Jetzt kommt die Flüchtlingsdebatte. Und wir können hier abkürzen – jeder sagt exakt das, was zu erwarten war. Strolz und Lunacek wollen Fluchtursachen bekämpfen, Kurz will Grenzen schützen und die Mindestsicherung für Flüchtlinge kürzen, Kern will „Integration“ und „seriös diskutieren“ und im Prinzip ähnliches wie Kurz, Strache will Sach- statt Geldleistungen.

Pilz kommt beim Thema Integration auf Betriebstemperatur und sagt: „Herr Kurz, Sie müssen einmal zuhören, wir sind hier nicht bei der jungen ÖVP! Herr Strache, Herr Kurz, reden’S einmal mit der Polizei, wir bekommen hier ein Sicherheitsproblem! Herr Kurz, wann hören Sie endlich auf mit den Selbstgesprächen und fangen zu arbeiten an!“

Thema Mietobergrenzen – die erwartbaren Positionen: Strache, Kurz, Strolz dagegen, Kern, Lunacek, Pilz dafür. Kern und Strolz scheitern solidarisch am Wort „venezolanisch“.

Jetzt geht es wieder einmal um Pilz‘ Gemeindewohnung. Pilz sagt „soziale Durchmischung“ und meint offenbar sich selbst.

Beim Thema Maschinensteuer wieder keine Überraschungen.

Raketenwissenschaft

Kurz sagt „als ich in Davos war“ und spricht „Davos“ so aus, als habe er einen besonders kostbaren Geschmack im Mund.

Kern kennt offenbar eine Verkäuferin in der Obersteiermark, die man nicht „zur Raketenwissenschaftlerin umschulen kann“.

Strolz erklärt „Ich finde, wir sind alle super“ und sagt endlich, worauf alle Strolz-Fans seit Stunden geduldig gewartet haben, nämlich „Flügel heben“. Außerdem fordert er die Einführung des Schulfachs „Coding“ (gibt es einen Zusammenhang mit „Orsch“?).

Lunacek will freies Breitband-Internet. Strache will „auch“ Kinder bis 12 „auch“ vom Internet „auch“ fernhalten.

Jetzt kommt das Thema Gesellschaft und Religion, wobei eh alle irgendwie für eine aufgeklärte Gesellschaft sind und Religion als Privatsache sehen. Strache hat außerdem Angst um den Christkindlmarkt, Kern kann Popper zitieren, und Pilz hat genauso viel gegen rechtsextreme Parteien wie gegen den politischen Islam, denn „den kann man nicht abwählen“. (Vermutlich würde der politische Islam am 15. Oktober auch an der vier-Prozent-Hürde scheitern.)

Strolz will irgendwie aufgeklärt und wehrhaft sein und fordert zu diesem Zweck schon wieder ein neues Schulfach: „Ethik und Religion“.

Lunacek nennt die Burka ein „Stoffgefängnis“, ist aber dennoch gegen das Stoffgefängnisverbot, weil dies nur „ein Nebelwerfer“ sei.

Strache sagt „auf ÄU-Äbänä“.

Schnitzel

An dieser Stelle wird es schwierig, der Debatte zu folgen, sie dauert auch schon ungefähr 17 Stunden. Strache ist offensichtlich auch schon müde und entdeckt den Feministen in sich (kann aber den neuen Hymnentext nicht singen).

Vor der Schlussrunde mit den erwartbaren „Wählt mich, ich bin super“-Appellen wird ein Kind eingeblendet, das auf die Frage „Was würde ich tun, wenn ich Bundeskanzler wäre“ antwortet: „Es würde jeden Tag Schnitzel geben, weil es die Bewohner glücklich macht.“

Strolz verzichtet überraschender Weise darauf, ein Schulfach „Kanzlersein und Schnitzel backen“ zu fordern.

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