Kultur

Provokante Körperkunst

Nichts für schwache Nerven: Ein Nähfaden wird durch das Augenlid gezogen, ein Fisch ins Nasenloch gesteckt. Streichhölzer werden zwischen die Zähne in den Mund gesteckt und Hühner geschlachtet in einem mit Blut besudelten Raum.
Mike Parr, Jahrgang 1945, ist der vielleicht radikalste Performance-Künstler der Gegenwart. Mit einem deformierten linken Arm geboren, macht er spektakuläre Kunst am eigenen Körper und hat ihn geschnitten, gebrandmarkt, genäht, gebrannt und genagelt in der Ausübung seiner Kunst.
Die erste Einzelausstellung des Australiers in Europa ist die letzte noch von Gerald Matt initiierte Schau in der Kunsthalle Wien.
Und sie geht unter die Haut: Schon der Titel „Edelweiß“ führt auf die falsche Fährte und ist nicht wörtlich zu verstehen. Denn mit der Alpenblume oder Heimatkitsch haben die auf Video gezeigten Performances, die Fotografien und Grafiken von 1970 bis 2012 nichts zu tun.
Parr arbeitet mit Unbehagen und Verwirrung, Schock und Schmerz, Ekel und Tabu. Unter Extremeinsatz des eigenen Körpers bis zur Selbstverstümmelung, etwa wenn er seine Lippen und sein Gesicht mit Fäden zu Knoten der Sprachlosigkeit vernäht.

Drastisch

Es geht um Trauma und Identität, Macht und Gewalt. Und die „multiperspektivischen Ansichten des eigenen Ich“, sagt der Kunstpublizist Lucas Gehrmann über Parrs großformatige Radierungen.
Parallel zu internationalen Bewegungen der Kunst, die den Körper zum Medium und das Ereignis zum Kunstwerk erklärten, provozierte Parr mit seinem Aktionismus bereits in den frühen 70er-Jahren in Australien, ent­wickelte zunächst visuelle Poesie und dann eine spezielle Form der „Body Art“, wobei Per­sönliches und Politisches scheinbar grenzenlos ineinander

übergehen.
Denn sein Werk, das die Psychopathologie des Menschen und der Gesellschaft zu erforschen versucht, geht auf Konfrontation. Und fordert ästhetische Normen und gesellschaftliche Verhältnisse kompromisslos heraus.