Opernball-Blütenlese: "Politik, Kunst, Baumeister, Busenwunder"
Von Guido Tartarotti
* Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends*
Der Opernball beginnt wie üblich schon lange vor dem Opernball. Bereits die ZIB verbreitet spannungsschwangere Stimmung. "Hier ist alles in freudiger Erwartung", verkündet eine sehr blaue Nadja Berhard, was eine gewagte These darstellt. Aber es geht eh nur um die "Reichen und Schönen", beziehungsweise die "Schnittmenge" zwischen beiden, wie Tarek Leitner erläutert. Oder, um Staatsoperndirektor Bogdan Roščić in den "Seitenblicken" zu zitieren: "Es gilt das Prinzip Hoffnung."
Um 20.12 Uhr sagt dann Mirjam Weichselbraun zum ersten Mal: "Der schönste Ballsaal der Welt", worauf alle Trinkspieler zum ersten Mal zum Glas greifen müssen.
Um 20.16 Uhr sagt Andi Knoll zum zweiten Mal: "Der schönste Ballsaal der Welt", worauf alle Trinkspieler zum ersten Mal Angst bekommen. Dann gibt es ein Interview mit dem Staatsoperndirektor, der wild zur Würde entschlossen und mit letzter Kraft einen Frack trägt und den karitativen Aspekt des heurigen Balls erläutert. (Gut so!) Seinen Zustand erklärt Roščić so: "Die leichte Anspannung eines Menschen, der plötzlich 5000 Gäste im Haus hat." Und spätestens jetzt will niemand mehr, der schon einmal zehn, ach was, sechs, ach was, zwei Gäste hatte, Staatsoperndirektor sein. Alleine das Abwaschen nach dem Essen muss furchtbar sein.
Um 20.55 Uhr kommt dann der Rückblick auf die Ära Alfons Haider. Der ehemalige Opernball-Moderator erklärt schluchzend die Magie des Opernballs so: "Dass wir, die hier arbeiten, nie wissen, was passiert." Dann bedeckt er Mirjam Weichselbrauns Wange mit Küsschen, und sie ist so verdutzt, dass sie Kari Hohenlohe kurz darauf als "Karin" anspricht. Tarek Leitner wiederum erklärt die Unterschiede zwischen Opernball und ZIB-Studio so: "Viel mehr Gold und Stuck und Samt." Und hoffentlich kommt hier jetzt kein ORF-Designer auf Ideen.
Schnittmenge
Dann ist der Einzug im Anzug: Die Reichen, die Schönen und die Schnittmenge treffen ab 21.10 Uhr vor den lauernden Kameras ein, in Frack, durchaus erstaunliche Roben und viel Hoffnung gehüllt.
Christoph Wagner-Trenkwitz nennt den Eingangsbereich der Oper "die rote Schachtel" und wird dafür erstaunlicherweise nicht vom Blitz getroffen. Um 21.14 Uhr kommt erstmals Jane Fonda ins Bild. Wagner-Trenkwitz nennt sie "Lugnerella". Kari Hohenlohe entdeckt den Schönheits-Mediziner Worseg und sagt: "Ein Restaurator." Nadja Bernhard nennt Mirjam Weichelbraun "Maria".
Der Nobelpreisträger Anton Zeilinger wird interviewt. Er bezeichnet den Ball als "Volksfest, wie auf dem Land" und schlägt vor, "die Oper mit Wasser zu fluten und dort Boot zu fahren", was doch einmal eine schöne Idee ist. Der ORF-Komiker Peter Klien wird entdeckt und sagt: "Besser reich und schön, als arm und schiach."
Der ORF-Vortuner Philipp Jelinek und Andi Knoll zeigen einander ihre Socken. Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky sagt: "Ich find ja super diese Mischung aus Politik, Kunst, Baumeistern und Busenwundern", und präziser kann man den Ball nicht beschreiben.
Gegen 22.00 Uhr wird Bundespräsident Alexander Van der Bellen interviewt, dabei erfahren wir unter anderem, dass Hund Juli mit zum Urlaub im Kaunertal darf.
Eröffnung
Dann gibt es endlich die Eröffnung. Wagner-Trenkwitz und Hohenlohe reden und reden, während im Hintergrund geschritten und getanzt wird, unter anderem reden sie über Blumen aus der Familie der Hundsgiftgewächse. Zum Glück durfte First Dog Juli nicht mit in die Oper.
Gegen 23.00 Uhr beginnt dann der schier endlose Reigen der Interviews. Ministerin Karoline Edtstadler sagt Tarek Leitner, dass sie einen Mann zum Walzertanzen suche, "denn ich kann es nämlich". Leitner lässt die Chance ungenützt verstreichen. Andi Knoll interviewt den Rapid-Präsidenten Alexander Wrabetz und bezeichnet die Rapid-Farben als "rot-grün", was Wrabetz erstaunlich gelassen hinnimmt.
Danach wird am Fließband interviewt. Kunststaatssekretärin Andrea Mayer, Bundeskanzler Karl Nehammer (Tarek Leitner will ihm Karoline Edtstadler als Tanzpartnerin vermitteln), Burgschauspielerin Maria Happel mit ihrer Tochter.
Dann wird es schwierig. Tarek Leitner interviewt die Schauspieler Hilde Dalik und Michael Ostrowski, dessen Name ihm nicht einfällt. Ostrowski und Dalik nutzen die Gelegenheit zu einem Klima-Protest: "Egal, ob ich am Würschtelstand bin oder in der Oper, ich habe immer die gleiche Haltung - für das Klima." Tarek Leitner ist zart überfordert, worauf ihn Ostrowski tröstet: "Du bist ein sehr guter Debütant, find' ich."
Rücken
Im Anschluss befragt Nadja Bernhard den Stargast Jane Fonda, und zwar in fließendem Englisch (ja, das muss man bei Opernball-Übertragungen betonen). Das Gespräch nimmt einen herzlichen Verlauf ("Kunst lässt mein Herz singen"), jedoch häufig unterbrochen durch die Tatsache, dass die offenbar von den Fotografen genervte Fonda immer wieder der Kamera den Rücken dreht.
Danach verliert sich die Übertragung immer mehr im Durcheinander der Schauplätze und Gespräche. Verena Altenberger ist gerührt, Melissa Naschenweng wirkt ein bisschen müde, Kristina Inhof mag immer noch keine Austern. Eine Ballbesucherin will Kaiserschmarrn nur mit Rosinen (ja!). Der Ball verliert langsam die Form, verflüssigt sich. Man wird beim Zuschauen immer schläfriger, es ist schon nach Mitternacht. Man wartet eigentich nur noch auf eines: das Interview mit Richard Lugner.
Kein Lugner
Doch - und das war der einzige Skandal an diesem überwältigend netten Abend - das Interview kam nicht. Eine herbe Enttäuschung: Jetzt mussten wir ohne baumeisterlich kühne Wortspenden ins Bett schlüpfen.
Als Ersatz kam noch einmal der Staatsopern-Direktor zu Wort, und er nannte den Ball "ein gesamtösterreichisches Performance-Kunstwerk", und ein besseres Schlusswort gibt es nicht.