Kultur

Ohne Leichen durch die Krise

Das Buch, vor 74 Jahren erstmals in England veröffentlicht worden, ist scheinbar nicht mehr von dieser Welt. (Was ja nichts macht, im Gegenteil.)
Ein Turbinendampfer ist in Seenot geraten.
Eine G’schichte halt aus Tagen, als man sich noch fest einbildete, mit moderner Technik beherrsche der Mensch alles, die Natur und überhaupt.
Richard Hughes (1900– 1976) war ein Star in England. George Bernard Shaw lobte seine Arbeiten fürs Theater als „beste Einakter, die je geschrieben wurden“.
In seinen Abenteuerromanen nahm er es todesmutig mit Joseph Conrad auf.
Er scheiterte nicht. Er wurde bloß ... vergessen.

Der Schornstein

„In Bedrängnis“ beschreibt das Chaos auf der „Archimedes“ – Prunkstück der Reederei in Bristol –, die 1929 von Nordamerika Tabak und Altpapier nach China bringen soll, in einen Taifun kommt und von ihm vier Tage gefangen gehalten wird.
An vielen Sätzen wird bewusst, dass es hier nicht allein darum geht, dass die Wellen wie Schläge eines Hammers das Eisen verbiegen.
Sondern um alle Krisen; (und darum, wie man trotzdem ohne Leichen in den sicheren Hafen kommt).
Am deutlichsten, wenn es heißt: Der Schornstein auf der Archimedes, der sei so sicher wie die „Bank von England“. Denn er hält ja, laut Berechnungen, einer Belastung von 100 Tonnen stand.
Der Rauchfang ist der erste Teil, der von Bord fliegt; und weil die Dampfpfeife mit ihm verklammert war, entweicht der heiße Dampf ins Innere, und es brennt ...

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Richard Hughes: In Bedrängnis. Übersetzt von Michael Walter. Dörlemann Verlag, Zürich. 246 Seiten. 20,50 Euro

Die Haie

Richard Hughes ist unfassbar gut, wenn er Taifun, Mensch und Maschine aufeinander loslässt. Und Vögel suchen Zuflucht, Geier, Kraniche, Kolibris. Mit nadelspitzen Krallen halten sie sich an den Köpfen der Matrosen fest.
Und Haie starren einen an. In Augenhöhe! Das Schiff hat gewaltig Schlagseite. Man kann fast glauben, sie starren HERUNTER.
„Es schien, als könnten sie in jedem Augenblick die steile grüne Wasserwand aufs Deck herabgleiten, direkt auf einen zu.“
... aber der Kapitän wird immer ruhiger. Weil es keine Sache mehr zwischen ihm und der Reederei ist, sondern zwischen ihm und Gott. Er meistert die Herausforderung, indem er „wie ein Künstler“ handelt. Er spürt den Inspirationsschub.
Und da haben wir’s : Ohne auf die Künstler zu hören, geht man in der Krise unter.

KURIER-Wertung: ***** von *****