Nestroy am Grazer Schauspielhaus: „Das ist klassisch!“
Von Thomas Trenkler
Die Inszenierung des „Talismans“ vor eineinhalb Jahren war derart erfolgreich, dass Dominique Schnizer, 1980 in Graz geboren, vom Schauspielhaus seiner Heimatstadt gebeten wurde, sich erneut mit Johann Nestroy, 1862 in Graz gestorben, zu beschäftigen. Und so hatte am Freitag „Einen Jux will er sich machen“ Premiere.
Die Idee, die Komödie in die Gegenwart zu übertragen, hätte er, so Schnizer im Programm, langweilig gefunden. Er schaue lieber in die Vergangenheit – um darüber zu erschrecken, „dass sich gar nicht so viel geändert hat“. Das Aktualisieren ist auch gar nicht notwendig, wenn bereits in der allerersten Szene ein Batzen Geld aus Brüssel erhofft wird. Schnizer wählte also einen Zugang, den Melchior, der vazierende Hausknecht, mit seinem überstrapazierten Lieblingsausruf kommentieren würde: „Das ist klassisch!“
Man unterhält sich zweieinhalb Stunden blendend und sieht, was beim „ Jux“ gar nicht so einfach ist, zahlreiche neue Gags. Den Brückenschlag ins Jetzt gibt es natürlich auch – als Kontrapunkt. Denn Stefanie Sargnagel fügte den drei Couplets, in denen der Handlungsdiener Weinberl die Zustände kritisiert, Strophen hinzu.
Sie habe, liest man, sehr wohl versucht, Sargnagel mit Nestroy zusammenzubringen. Doch die Bruchlinie bleibt hart: Die goscherte Autorin will dem Spießbürger, der angeblich beim Goethe „abspritzt“, den Spiegel vorhalten – und fährt ihm mit dem Stellwagen ins Gesicht. Sie dekliniert nur sattsam bekannte Vorurteile durch. Der Bürger wolle Ordnung, er habe ein „Büberl“ mit „glitschigem Haar“ gewählt, es grause ihm vor „schirchen Emanzen, vor Moslems und Warmen“. Und er arbeite gerne auch 14 Stunden, wenn im Gegenzug Flüchtlingsrouten und -heime geschlossen würden. Wörter wie „Gleichstellungswahnsinn“ und „Linkslinke“ dürfen nicht fehlen.
Andauernd in Nöten
Franz Solar, um klare Artikulation bemüht, tut sich mit manchem hatscherten Reim zur beschwingten Musik von Bernhard Neumaier (mit Violine, Marimba und Bass) schwer. Aber er ist ein hinreißender Weinberl. Einmal wenigstens möchte sich dieser grundanständige Mensch einen Jux erlauben – und in der Stadt als verfluchter Kerl auf den Putz hauen. Die folgenden Kalamitäten treiben Solar das blanke Entsetzen ins Gesicht: Getrieben von Angst befindet er sich zusammen mit Clemens Maria Riegler als Lehrbub Christopherl andauernd in Nöten.
Eigentlich sollten sie, die Provinzler, geschmacklos herausgeputzt in der Stadt erscheinen. Darauf verzichtet Ausstatterin Christin Treunert generös. Sie versetzt die Posse, 1840 uraufgeführt, vom Biedermeier ins späte 19. Jahrhundert. Ihre Guckkästen auf der Drehbühne sind extrem liebevoll befüllt, ihre Kostüme entzücken.
Rudi Widerhofer erinnert als Melchior an eine Vogelscheuche – und begeistert mit perfider Bauernschläue. Werner Strenger imponiert in dieser homogenen Inszenierung, in der ausgiebig steirisch gebellt wird, als cholerisch-herrischer Gewürzkrämer Zangler, der sich in eine absurde Modepuppe (Anna Szandtner mit rotem Näschen als Madame Knorr) verschaut hat. Und der schnöselige „Piefke“ August Sonders des Mathias Lodd ist wie von Wilhelm Busch gezeichnet.
Doch Franz Xaver Zach spielt sie alle an die Wand: als alte Jungfer, die aussieht wie Königin Victoria – und vor Freude grandios mit den Händen flattert. Sehr nett.