Kultur/Musik

Interlude-Festival: Gelungene Premiere zwischen den Stühlen

Einen „außergewöhnlichen Ort“ hatte Thomas Heher für sein neu ins Leben gerufene Festival versprochen. Der Veranstalter des etablierten Waves-Festival hat sich für das Interlude etwas Besonderes überlegt: ein Popfestival im Sitzen.

Zu durchwegs tanzbaren Klängen – sei es von Jamie Lidell am Montag, oder zum Abschluss von Kreisky -, saß das Publikum bei der Premiere dann gemütlich in die Sessel des Theater Akzent gekuschelt, von wo man ansonsten vor allem Kabarettisten und Schauspielern lauscht.

Keine 200 Meter die Argentinierstraße hinunter beweisen die FM4-Radiosessions seit graumer Zeit, dass das kein Widerspruch sein muss. Erst vor knapp zwei Wochen zeigten CoCoRosie im Radiokulturhaus eine vom sitzenden Publikum vielbejubelte Show. Mit – und das ist entscheidend – Unterstützung des Radio-Symphonieorchesters. Schweigendes Staunen war die meist-gesehene Reaktion. Im Theater Akzent hingegen war das Außergewöhnliche hart an der Grenze zum Gewöhnungsbedürftigen. Auch für Franz Adrian Wenzl. Der Kreisky-Frontmann animierte das Publikum beim Abschluss am Mittwochabend fast verzweifelt zum Aufstehen. "Dann steht’s wenigstens im Kopf", lautete zwischendurch die beinahe resignative Ansage.

Performance-Charakter

Von den vier Bands am Interlude-Festival wurden dem Prinzip Man-höre-staune-und-halte-die-Füße-still nur Koenig Leopold gerecht. Das Duo aus der Steiermark machte am Dienstag den Auftakt im gut gefüllten Theater Akzent, das insgesamt 450 Plätze bietet. FM4-Hörern sind sie mit ihrer Single "Kohlhauser" ein Begriff. Zeitungsleser kennen sie auch wegen der damit einhergehenden Kontroverse rund um den darin besungenen oststeirischen Fleischer.

Live boten sie vor allem experimentierfreudige Mundart-Vocoder-Action (Leo Riegler) mit viel Beat-Unterstützung – gleichzeitig am Schlagzeug und Synthesizer agierend: Lukas König. Laut, krachend, begleitet von betörenden Visuals im Hintergrund, kam das am ehesten einer Performance nahe, die man sich auch im Sitzen gerne anschaut. Apropos Visuals: Dass eine nackte Dame in eine Louis Vuitton-Tasche defäkiert, hätte nicht sein müssen.

Alleinunterhalter mit Bandbegleitung

Egal. Musikalisches Highlight war ohnehin Jamie Lidell. Vor ausverkauftem Haus präsentierte der britische Soulsänger und Elektronik-Produzent einen Querschnitt aus seinem Schaffen. Auf soulige Nummern wie „Completely Exposed“ folgte das funkige „You Got Me Up“ und das Prince-affine „Do Yourself A Faver“ vom neuen selbstbetitelten Album. Unterstützt wurde der als „Alleinunterhaltergott“ (© Die Welt) bekannt gewordene Lidell dabei erstmals von einer Band. Schlagzeug und Keyboard verliehen den Songs live deutlich elektronischere Töne. Dazwischen gab es eine wundervolle A-capella-Version von Lidells neuer Single „Big Love“. Herrlich auch, wie Lidell nur mit seiner Stimme und Loop-Gerät Songstrukturen entstehen lässt.

Ob das Publikum auch da sitzen blieb? Natürlich nicht. Nach der ersten Nummer tanzten die ersten, bei der Zugabe (eh klar: „Multiply“) dann alle.

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Schaumgebremster Tag zwei

Attwenger hatten es da am Mittwoch schon deutlich schwieriger. Das Linzer Mundart-Duo spielte, anders als angekündigt, schon um 19.00 Uhr, anstatt den Headliner zu geben. Publikumstechnisch eine Fehlentscheidung. Die später groß aufspielenden Kreisky lockten deutlich weniger Interessierte ins Theater Akzent. Ganz gefüllt war das Theater am Mittwoch aber sowieso nie. Bis auf eine „Ausdruckstänzerin“ (© Franz Adrian Wenzl), wollte das Publikum nicht so richtig mitgehen. An der Show lag das aber nicht. Attwenger kombinierten gewohnt gekonnt Maultrommel, Quetschen und Schlagzeug. Immer rasant. Leider nicht immer verständlich. Der Ton war nicht der beste.

Den Abschluss des Interlude-Festivals machte dann die Parolen-Band Österreichs: Bei Kreisky gab es neben alten Krachern wie „Scheiße Schauspieler“ oder „Vandalen“ auch neue Nummern zu hören. „Die Wildnis“ überzeugte mit melodischem Orgeleinsatz von Frontmann Franz Adrian Wenzl höchstpersönlich. Dass es der erste Auftritt der Indie-Rocker seit einem Jahr war, merkte man nur zwischen den Liedern. Da wurde kurz das Keyboard getrimmt und sich die Zeit mit lustigen Ansagen vertrieben. Ein Erlebnis. Einzig das bis auf einige Jungburschen, die sich tanzend des Mittelgangs bemächtigt hatten, sitzende Publikum schien Wenzl nachhaltig zu irritieren.

Am besten zwischen den Stühlen

Womit wir wieder beim Thema wären: Wieso man ausgerechnet diesen drei Bands (bei Koenig Leopold ist die Ausnahme sowieso Programm) sitzenderweise lauschen sollte, ist fraglich. Zurück bleiben zwei Tage guter Musik im tatsächlich außergewöhnlichen Ambiente des Theater Akzent und eine Stimmung mit Schwankungsbreiten. Wenn die besten Momente jene sind, in denen das Publikum vor, neben oder zwischen den Stühlen steht, stellt sich schon die Frage, wieso da überhaupt welche waren.