Kultur/Medien

Rendi-Wagner und die Beschwerden aus dem Burgenland

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

Nachdem die „ZiB2“ am Sonntag Wahlsieger Hans Peter Doskozil im Studio hatte; und nachdem der am Montagmorgen auf Ö1 erklärt hatte, man werde noch klären, wer die SPÖ eine künftige Nationalratswahl führen soll; und nachdem sie generell einen Lauf hat, gab es einen Anlass: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner saß am Montag im „ZiB2“-Studio. Warum? Im Nachhinein betrachtet nicht dazu, Bedenken über ihre Souveränität zu zerstreuen. Aber der Reihe nach.

„Schönen Guten Abend“, wünschte Rendi-Wagner schwungvoll den Zuseherinnen und Zusehern. Bevor diese für die nächsten elf Minuten mit etwas belohnt wurden, was ursprünglich als so etwas wie eine Message gemeint gewesen sein dürfte. Moderator Armin Wolf gaberlt zunächst den Elefanten im Raum auf: Hans Peter Doskozil, Rendi-Wagners größter Kritiker, hat im Burgenland am Sonntag die Absolute gewonnen. Im Bund stehe die SPÖ laut Umfragen bei 17 Prozent, sagte Wolf.

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"Wirklich noch einmal freuen"

Rendi-Wagner wollte sich „gleich zu Beginn wirklich noch einmal über das gestrige Ergebnis freuen“. Die Themen von Doskozil seien „sehr soziale Themen“ gewesen (hoffentlich war das bei einem Sozialdemokraten keine sehr große Überraschung). „Die sichere Pflege, wie kann ich vom Lohn gut leben, 1700 Euro Mindestlohn, wie gibt es einen ordentlichen Kindergarten und das gratis im ganzen Burgenland…“

Was man daraus lernen könne? Offenbar, dass man noch mehr Platitüden schleudern muss. „Nämlich näher bei den Menschen zu sein, nah an den Sorgen und auch konkrete Lösungen anbieten.“

Und Vorsicht, Geheimrezept: „Und in seinem Fall hat er nicht nur geredet, er hat auch umgesetzt.“ Das pannonische Playbook für die Landtagswahl hat wohl wirklich alle Stückl gespielt.

Wolf hakt nach: „Und das mit dem Umsetzen ist für Sie schwieriger, weil Sie in Opposition sind.“

Rendi-Wagner: „Richtig.“

Was sind schon die Nebenkosten

In Folge zeigt sich die SPÖ-Chefin in der Lohnfrage erstaunlich kreativ: Doskozil hatte ja als Wahlkampfschlager 1700 Euro Mindestlohn netto. Rendi-Wagner trommelte bisher 1700 Euro „steuerfrei“. Der Unterschied? 257 Euro Lohnnebenkosten, die dem Mindestlöhner noch einmal heruntergerissen werden.

Nach vielen argumentativen Girlanden, die wir uns aus Gründen der Lesbarkeit sparen, fragt Wolf irgendwann: „Aber sind Sie jetzt für den Mindestlohn von 1700 Euro netto?“

Rendi-Wagner (bleibt glasklar unklar): „Wir sind für einen Mindestlohn von 1700 Euro von dem man gut leben kann.“

Wolf (will lieber echte Klarheit): „Was heißt das? 1700 Euro netto heißt, ich kriege 1700 Euro auf mein Gehaltskonto. 1700 Euro steuerfrei heißt, ich kriege nur 1450 Euro auf mein Gehaltskonto.

Wofür sind Sie jetzt?“

Rendi-Wagner: „…wenn die Sozialversichungskosten abgezogen sind. Ich glaube das sind Teile, über die man noch reden kann, da gebe ich Ihnen recht. Ob man die Sozialversicherungsbeträge in einer anderen Form zurückerstattet. Wir haben uns ja für kleine Einkommen dafür eingesetzt. Das wurde beschlossen im Sommer. Sie wissen, dass für kleinste Einkommen…."

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"Ich unterbreche Sie nur..."

Wolf (nimmt es mit der Ehrlichkeit in diesem Moment nicht sehr genau): „Ich unterbreche Sie nur ungern.“ Doskozil habe angekündigt, die Landeslöhne so zu erhöhen, dass 1700 netto überbleiben.

Rendi-Wagner (großherzig): „Das unterstütze ich auch weil er seinen Weg im Burgenland so gegangen ist, um zu zeigen: ‚Mir ist es wichtig‘. Wir haben eine Bundesebene und wir müssen sagen, was wir auf Bundesebene machen können. Und ich bin Opposition. Ich hab gesagt 1700 Euro soll zum Leben reichen. Ja und die Sozialversicherungsgebühren wären in unserem Fall noch dabei gewesen. Aber im Prinzip geht es darum, 1700 Euro steuerfrei….“

Wolf versucht das Thema zu wechseln, bevor Rendi-Wagner noch im Studio ausrutscht.

Rendi-Wagner hat aber noch einen Trumpf im Ärmel: „Aber wie Sie wissen bin ich nicht in Regierungsverantwortung…“

Wolf: „Sie meinen, also ist es eh egal“.

Rendi-Wagner: „Nein..“

Themenwechsel. Aufatmen bei den Zusehern.

To-Do-Liste aus Eisenstadt

Wolf bringt weiter Einzelheiten von der Liste der Doskozilschen Kritikpunkte an der Bundes-SPÖ vor (es dürfte sich um ein mehrere Terabyte schweres Excel-File handeln). Wir sind beim Thema Sicherungshaft. Da solle die Bundespartei umschwenken.

In Folge zeigte sich, dass man zum näheren Verständnis sozialdemokratischer Binnenpositionen zumindest ein Proseminar in Linguistik hinter sich gebracht haben sollte.

Rendi-Wagner: „Er hat auch gestern hier im Studio gesagt, er ist für eine verfassungskonforme Sicherungshaft, das heißt, er ist dagegen, dass die Verfassung geändert wird.“

Wolf (war im Proseminar): „Das hat er nicht gesagt. Er hat nur gesagt, ‚wenn sie der Verfassung entspricht‘. Eine Sicherungshaft, die nicht der Verfassung entspricht geht eh nicht.“

Eine Verfassungsänderung wird es mit Rendi-Wagner jedenfalls nicht geben, sagt sie. Was sie nicht sagt: Sofern sich Doskozil nicht durchsetzt. Oder beide draufkommen, dass sie doch dasselbe wollen. Wir bleiben dran.

Nächster Beschwerdepunkt aus dem Burgenland: Kopftuchverbot in der Schule bis 14. Die Bundes-SPÖ möge das unterstützen. Der pannonische Häuptling mit der nagelneuen Absoluten will das so.

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Wurschtig zu Eliten

Rendi-Wagner versucht viele Meter Sicherheitsabstand zu gewinnen: „Ich sage Ihnen es ist keine Lösungsmaßnahme, es ist eine symbolische Maßnahme. Es ist Symbolpolitik und das ist wirklich zuwenig um ernsthafte ehrliche Integrationspolitik zu machen."

Wolf hält ihr vor, Doskozil sei es laut eigener Aussage „wurscht, ob linke Eliten gut finden, was wir machen“. (In Eisenstadt ist er von dieser Gruppierung zugegebenermaßen nicht gerade eng umstellt.)

Rendi-Wagner (versucht, möglichst unschlau zu wirken):„Ich weiß nicht, was er unter linken Eliten versteht.“

Wählergunst? Heikel

Wolf kommt jetzt zum heikelsten Punkt, Burgenland hin oder her: Doskozil habe seine Wählerstimmen nicht von links geholt, sondern von der FPÖ. Das gleiche sei Sebastian Kurz bei der Nationalratswahl  gelungen. (Was er nicht sagt: Genau das ist Rendi-Wagner trotz Ibiza-Implosion von türkis-blau genau nicht gelungen). Jedenfalls, Gretchenfrage seit Vranitzky: „Muss die Bundes-SPÖ ihre kategorische Abgrenzung zur FPÖ ändern?“

Rendi-Wagner: „Kein Mensch interessiert sich für Links- und Rechtskategorien. Politiker, die erfolgreich sind, sind gut beraten, alle Wählergruppen anzusprechen.“ Sie hält den burgenländischen Erdrutschsieg für einen Sieg der richtigen Themen...

…und liegt damit konträr zu dem, was alle Demoskopen einhellig festgestellt haben: Die Leute haben Doskozil gewählt. Sprich: Es geht um die (richtigen) Personen. Wolf hakt nach: „Jetzt liegen Sie in der Kanzlerfrage kilometerweit hinter Sebastian Kurz. Aber auch hinter Norbert Hofer (das geht?, Anm.) und auch hinter Werner Kogler. Nur acht Prozent  wollen Sie als Kanzlerin. Ist das nicht ein dramatisches Problem?“

Rendi-Wagner bleibt staatstragend: „Ich habe mir eins vorgenommen: Dass ich meine Verantwortung, die ich unter den schlechtesten Ausgangssituationen 2018 übernommen habe, dass ich die nicht bei erstbester Gelegenheit und wenn’s schwierig wird, an den Nagel hänge und dass ich die Steherqualität habe und nicht einfach aufgebe.“ Außerdem: Politik sei kein Selbstzweck (Linguistik-Proseminar, Sie verstehen). Es dürfe nicht um Personen gehen. „Uns geht es um die Inhalte.“

Wolf (nicht beeindruckt): „Gut. Jetzt wird Politik aber offenbar von Menschen gemacht.“

Rendi-Wagner: „…sowieso…“

Niemand nicht will eine Personaldebatte in der SPÖ

Wolf: „Und niemand in der SPÖ will wirklich vor der Landtagswahl im Herbst eine Personaldebatte. Aber: Doskozil hat auch gesagt: Vor der nächsten Nationalratswahl muss man darüber reden, wer der richtige Spitzenkandidat ist. Finden Sie das auch?“

Rendi-Wagner: „Ich kann ihnen sagen, dass ich ein klares Ziel hab, die Sozialdemokratie wieder nach vorne zu bringen. Da müssen alle mitarbeiten, da kann sich keiner aus der Verantwortung nehmen, auch das hat Hans Peter Doskozil vor wenigen Tagen gesagt. Ein Beispiel aus …“

Wolf: „Soviel Zeit haben wir jetzt nicht.“

Rendi-Wagner kürzt ab: Sie werde sich beim Parteitag erneut der Wahl stellen. „Und ich sage Ihnen auch: Ich wünsche unserm Land nicht und uns allen nicht, dass wir kürzer als in fünf Jahren wieder wählen.“

Nachsatz: "Also ich hoffe, dass das erst in fünf Jahren der Fall ist.“

Verstehen wir.

 

 

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