Kultur/Medien

Nach Live-Stream der Jungen ÖVP: Wrabetz pfeift TVthek-Chef zurück

Es fällt unter die Kategorie PR, die man nicht braucht: Ein "Live Spezial"-Stream auf der ORF-TVthek vom Parteitag der Jungen ÖVP am Samstag sorgt für Aufregung und ruft sowohl die ORF-Journalisten als auch den ORF-Generaldirektor auf den Plan.

Am Samstag war nachvollzogen worden, was im Sommer 2020 wegen Corona ausfallen musste: Die 26-jährige Nationalratsabgeordnete Claudia Plakolm wurde zur Bundesobfrau der ÖVP-Jugendorganisation gewählt. Das war dem TVthek-Verantwortlichen ein Live-Stream wert. "Diese Entscheidung erfolgte aus journalistischen Gründen, da im Programm des Bundestags ein Auftritt von Bundeskanzler Kurz angekündigt war und wir aufgrund der aktuellen politischen Diskussion rund um eine mögliche Anklage gegen den Bundeskanzler im Interesse einer aktuellen Information des Publikums live dabei sein wollten", hielt Thomas Prantner, stellvertretender Direktor für Technik, Online und neue Medien, in einer Stellungnahme fest. Er versucht sich derzeit als möglicher bürgerlicher Kandidat mit guten Kontakten in die FPÖ für die im Sommer anstehenden ORF-Wahlen in Stellung zu bringen.

"Untragbar"

Doch die ORF-Journalisten sehen das völlig anders. Ein Auftritt des ÖVP-Obmanns bei dieser Veranstaltung könne keine Begründung sein. "Es ist unrealistisch zu erwarten, dass der Parteichef in einem Gespräch mit dem ,Bewegungssprecher` der ÖVP, Peter L. Eppinger inhaltlich mehr sagt, als in einem langen ZiB2-Interview mit Armin Wolf. Wir halten fest, dass die Entscheidung zur Übertragung des JVP-Parteitages in der TVThek nicht von der Redaktion des „Aktuellen Dienstes“ getroffen wurde", heißt es in der Aussendung des ORF-Redakteursrates. Kritisch gesehen wird zudem, dass für den TVthek-Stream einfach das Signal samt Regie der türkisen Partei übernommen wurde. Inklusive einem Werbespot für die JVP. "Das ist aus journalistischer Sicht völlig untragbar."

Spielfeld geschlossen

Das sieht offenbar auch Generaldirektor Alexander Wrabetz, der seine Kandidatur für die ORF-Chef-Kür am 10. August bereits bekanntgegeben hat, so und schließt dieses Spielfeld Prantners. Ab sofort trifft die Chefredaktion TV die Entscheidung, ob Livestreams auf der TVthek eingesetzt werden, heißt es in einer Internen Mitteilung vom Montag. Wrabetz erspart dem ORF damit nicht nur miese PR im Vorfeld der Neubesetzung der ORF-Chefetage, sondern auch eine mögliche rechtliche Auseinandersetzung. "Die Übertragung von Live-Streams ... ist nach derzeitiger Rechtslage davon abhängig, ob eine Berichterstattung in der TV-Information über dieses Ereignis stattfindet. Dies ist nur von der TV-Information zu beurteilen", heißt es in der Internen Mitteilung. Die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen - Berichterstattung im linearen TV - sieht Prantner allerdings durch einen kurzen Beitrag in der Samstag-Spät-ZiB erfüllt. Bemerkenswert jedenfalls: Auf der blauen orf.at-Seite war kein Bewegtbild von der JVP zu sehen.

Ökonomischer Wert

Auch Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-"Freundeskreises“ im ORF-Stiftungsrat, zeigte sich gegenüber der APA erbost über die Übertragung des JVP-Bundestags. "Einen Wahlkampf im unabhängigen ORF wollen wir nicht haben“, sagte er. Vom Generaldirektor fordert er noch vor der nächsten Stiftungsratssitzung am 10. Juni "lückenlose Aufklärung“. Der Stiftungsrat möchte die Hierarchien der ORF-TVthek genau aufgelistet haben und erfahren, wer den Auftrag wann erteilte. Auch welche Konsequenzen diese Entscheidung für den Verantwortlichen haben wird und wie hoch der ökonomische Wert eines derartigen zweistündigen Beitrags in der ORF-TVthek ist, will Lederer wissen. In der nächsten Stiftungsratsitzung werde er den Vorfall jedenfalls "massiv thematisieren“.

Die Jugendorganisationen von SPÖ, NEOS, Grünen und FPÖ forderten am Montag in einem gemeinsamen offenen Brief mehr Gehör für Jugendthemen im ORF: "Geben Sie der Jugend eine Stimme - unabhängig vom politischen Couleur!“