Kultur/Medien

Machtmissbrauch bei "Bild": Neue Vorwürfe in Causa Reichelt

Im Herbst 2021 stolperte der damalige "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt über Vorwürfe des Machtmissbrauchs und musste gehen: Er soll seine Position für Beziehungen zu Mitarbeiterinnen ausgenutzt haben. Bereits im Frühjahr 2021 hatte der Axel-Springer-Verlag ein Compliance-Verfahren eingeleitet, danach durfte Reichelt vorerst bleiben. Am Donnerstag präsentierte Anja Reschke in der ARD-Late-Night-Show "Reschke Fernsehen" neue Details zur Causa.

Das Ausmaß des mutmaßlichen Machtmissbrauchs bei "Bild" sei demnach größer als bisher angenommen: Bereits 2019 soll im anonymen Briefkasten des Verlags eine Nachricht über Reichelts Affären mit Mitarbeiterinnen eingegangen sein. Darin wurde laut "Reschke Fernsehen" auch geschildert, dass die Frauen unter Druck gesetzt wurden und berufliche Folgen fürchteten. Konsequenzen habe es für Reichelt damals keine gegeben.

Reichelt ließ über einen Anwalt gegenüber der ARD-Show ausrichten, dass sämtlich Vorwürfe "unwahr und Teil einer Verleumdungskampagne" seien. 

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"Bumsen, belügen, wegwerfen"

In der Show wurde auch über WhatsApp-Nachrichten von Reichelt berichtet. "Es ist halt so riskant und fühlt sich trotzdem so richtig an", soll Reichelt einer Mitarbeiterin geschrieben haben. Einer anderen soll er folgende Nachricht geschickt haben: "Weil ne dumme Affäre wie du es nicht besser verdient hat, ganz einfach: Bumsen, belügen, wegwerfen." 

"Reschke Fernsehen" sprach mit mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die übergriffiges Verhalten durch Reichelt erlebt oder beobachtet haben sollen. Zitiert wurde zudem aus der Klage einer ehemaligen "Bild"-Mitarbeiterin aus den USA. Die Frau beschreibt darin, dass sie von Reichelt mitten in der Nacht zu einem Treffen in einem Hotelzimmer gedrängt worden sei. Sie habe gefürchtet, "keine Wahl zu haben" und bei "Bild" rauszufliegen. Es sei zum Sex gekommen, danach habe sie unkontrolliert geweint. Das Verfahren wurde eingestellt, die Frau soll Geld bekommen haben und nicht mehr darüber sprechen dürfen. "Die der Klage zugrunde liegenden Sachverhaltsschilderungen enthalten evident unwahre Tatsachenbehauptungen", ließ Reichelts Anwalt mitteilen. Eine zweite Frau berichtete gegenüber "Reschke Fernsehen" von ganz ähnlichen Erlebnissen mit Reichelt.

Nach der Compliance-Analyse im Frühjahr 2021 war Reichelt vorerst wieder aus seinem Urlaub zurück in seine Position als Chefredakteur gekommen. Frauen, die im Zuge des Verfahrens gegen ihn ausgesagt haben, sollen nach dessen Rückkehr berufliche Konsequenzen zu spüren bekommen haben. 

Springer-Chef Matthias Döpfner soll laut der ARD-Show geplant haben, ein Dossier über Hinweisgeber an "ausgewählte, einflussreiche Journalisten" zu streuen. Man werde "bestraft von einer linken Bubble“, soll Döpfner gesagt haben. "Mit MeToo hat das Ganze nichts zu tun, das muss für uns immer die Haltung sein."

Reichelt wurde nach dem Rauswurf bei "Bild" auf YouTube aktiv und präsentiert dort seit Sommer 2022 seine viel kritisierte "Meinungs-Show" unter dem Titel "Achtung, Reichelt".