Corona-TV-Drama: „Eine Vollbremsung mit Schleudertrauma“
Von Christoph Silber
Es ist die Leichtigkeit des Scheins: 2020 könne ein gutes Jahr werden, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer TV-Neujahrsansprache. Die Anästhesistin Carolin Mellau (Natalia Wörner) macht Pläne – sie hat im Spital gekündigt. Sie will mehr Zeit für ihre Kinder und ihren Mann, den Oboisten Stefan (Marcus Mittermeier). Das Coronavirus betrifft einen Japaner, der in Wuhan war, und das ist weit weg. Vorerst.
Was dann in der Realität passierte, erzählt „Die Welt steht still“ (Donnerstag, 18.11., 20.15, ORF2) als erster TV-Film zur Pandemie (der wegen einer Corona-Sondersendung verschoben wurde; Anm.). Die Dramatik der ersten Welle fokussiert er in der Lebenswelt der Intensivmedizinerin: Tournee-Absage beim Ehemann, Kontakt-Beschränkungen bei der Mutter im Pflegeheim, Grenzschließungen, die der Tochter Treffen mit dem Freund verunmöglichen, Corona-Leugner als Nachbarn und Arbeit auf Anschlag auf der Intensivstation – bis hin zur Selbstaufopferung.
Realismus
Die Idee zum Film entstand im ersten Lockdown; im März 2021 wurde dann unter strengen Vorkehrungen gedreht. „Die Geschichte sollte ein ganz kleiner, sehr konkreter Ausschnitt aus einem weltumspannenden Geschehen sein und daran erinnern, wie man zu Beginn der Pandemie gefühlt und gedacht hat“, so Drehbuch-Autorin Dorothee Schön im ZDF-Interview.
„Ich wollte ein realistisches Bild des Klinikalltags an einem konkreten Ort zu einem definierten Zeitpunkt entwerfen, ohne zu verkitschen, ohne zu dramatisieren, aber auch ohne herunterzuspielen, was dort jeden Tag – bis heute – geleistet wird.“ Im Frühjahr 2020 habe man von den Balkonen geklatscht, „heute findet man das selbstverständlich – obwohl das medizinische System weiterhin an der Belastungsgrenze arbeitet“.
„Die Welt steht still“ erzählt detailreich bis hinein in die Dialoge. Bei den Klinikszenen wurde man von einer Intensivmedizinerin und langjährigen Freundin von Hauptdarstellerin Natalia Wörner unterstützt. Auch Schöns Tochter arbeitet an einer Klinik: „Ich konnte mich natürlich intensiv mit meiner Tochter und anderen befreundeten Ärzten austauschen.“
Ohnmacht
„Diese Dreharbeiten waren anders als alle, die ich je erlebt habe, da wir uns in gewisser Weise zeitversetzt durch ein Schlüsselloch selbst beobachtet haben“, meint Natalia Wörner. „Ich habe 2004 eine Naturkatastrophe erlebt und überlebt. Manchmal fühlte ich mich ähnlich ohnmächtig in dieser Zeit. Das alles künstlerisch zu bewegen, war hart und heilsam zugleich.“ Die Situation des Lockdowns beschreibt sie als „Vollbremsung mit Schleudertrauma“.
Darauf steuert man nun wieder zu. In Österreich steigen Infektions- und Todeszahlen auf traurige Rekordhöhen. Auch in Deutschland nimmt die Pandemie eine negative Entwicklung. Dass die radikalen Auswirkungen von Corona auf das Leben doch auch etwas zum Positiven verändern könnten, hatte die Drehbuch-Autorin gehofft – mehr Wertschätzung und weniger Konsum. „Inzwischen bin ich ziemlich ernüchtert. Ich glaube, die Menschen wollen einfach nur, dass alles genauso wird wie vor der Pandemie, und damit basta.“ Schön: „Die Ereignisse im Frühjahr 2020 waren wirklich dramatisch, trotzdem beginnen wir schon zu vergessen.“