"Beim Kinderwagen bespuckt": Vorgeschmack auf "Schlammschlacht" U-Ausschuss
Von Peter Temel
* Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*
Kaum lobt man „Im Zentrum“ ob seiner spitzer zusammengestellten Einladungslisten, folgt wieder einmal eine der klassischen Politikerrunden mit Vertreterinnen und Vertretern der Parteien. Also eine Runde der Generalsekretäre und Klubobleute-Stellvertreter.
Die dabei auftretenden Beißreflexe sind schon so eingeübt, dass die größte Emotion beim Publikum der Ärger darüber ist, dass die Herren und Frauen Politiker immer übereinander herfallen müssen.
Das war auch an diesem Sonntag zum Teil so, als zum Thema „Sümpfe und Skandale – das Sittenbild der Politik“ diskutiert wurde, anlässlich des heimlichen Mitschnitts mit dem verstorbenen Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek.
Die grüne Generalsekretärin Olga Voglauer wurde als erste befragt und wiederholte sinngemäß brav das, was zuvor schon ihre Parteikollegen Kogler, Rauch und Zadic gesagt haben. Die Grünen würden „an seiner Stelle zurücktreten, um den Weg freizumachen“ für einen guten, integeren Nationalräsidenten bzw. eine gute, integre Präsidentin.
"Verdächtigungen statt Politik"
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker könnte mittlerweile sein Zelt auf dem Küniglberg aufschlagen und verteidigte die ÖVP – gemäß seinem Brotberuf - erneut in Anwaltsmanier.
Er kritisierte, dass Voglauer seinem Parteikollegen Sobotka die Integrität abspreche. Dessen schlechtes Abschneiden beim Vertrauensindex (ein Saldo von minus 53 Prozent) rühre ihn schon, sei aber das Ergebnis, „wenn wir Politik durch Anzeigen, durch heimliche Aufnahmen und durch Verdächtigungen, die sich oft als nicht richtig herausstellen, ersetzen.“
Blümel bespuckt?
Als Beispiel zog er Ex-Finanzminister Gernot Blümel heran, der durch einen „Laptop, den es nie gegeben hat“ zurücktreten habe müssen. Blümel habe dann, wenn er mit dem Kinderwagen unterwegs war, Polizeischutz gebraucht, „weil er bespuckt wurde“.
Das scheint übrigens eine neue Information. zu sein
Nicht neu ist, dass Stocker die Verteidigungslinie fährt, wonach Pilnacek im U-Ausschuss Interventionen in Abrede gestellt habe.
Das kann wiederum Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos nicht nachvollziehen. Er zitiert aus dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss 2022, in dem Pilnacek gesagt habe, er habe „keinen politischen Druck weitergegeben“. Die ÖVP fokussiere nur auf das Zustandekommen des Tonbands und nicht auf den Inhalt.
Darüber hinaus stelle sich ihm eine Frage, die ihn schon die letzten Tage lang treibe. „Warum gehen Sie davon aus, dass der Herr Pilnacek in dieser Tonaufnahme gelogen hat?“ fragte Hoyos in Richtung Stocker.
„Was unterstellen Sie mir da?“, sagte Stocker. Er habe nie gesagt, dass Pilnacek irgendwo gelogen habe, er habe nur gesagt, dass Pilnacek im U-Ausschuss die Wahrheit gesagt habe.
Hoyos repliziert, dass die Ableitung daraus sei, dass er auf dem Mitschnitt eben nicht die Wahrheit gesagt habe – weil dort von Interventionen die Rede war.
Nun war man also schon mittendrin in juristischen Winkelzügen.
2020 oder 2022?
Stocker zeigte dann einen Schnellhefter mit einem Deckblatt vom 3. Mai 2022 des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses her. Er zitierte dann aber eine Pilnacek-Aussage aus dem U-Ausschuss 2020, wonach es keine Interventionen oder verfahrensbezogene Gespräche gegeben habe. Die Frage war allerdings auf das Telekom-Verfahren beschränkt.
Hoyos erwähnte noch einmal die Passage mit dem „politischen Druck“.
Stocker: „Können’s mir sagen, wo das steht?“
Schwierig, den Stocker hatte aus 2020 vorgelesen, nicht aus 2022. Das wurde aber nicht aufgeklärt. Egal, das Publikum konnte dem wahrscheinlich ohnehin nicht mehr folgen.
"Sobotka kann nicht überparteilich"
Um Klarheit bemüht war aber Kai Jan Krainer, NR-Abgeordneter und quasi „Mr. U-Ausschuss“ der SPÖ. Es sei dann gefragt worden, von wem konkret der politische Druck ausgeübt worden sei. Daraufhin habe sich Pilnacek der Aussage entschlagen.
„Das ist für mich auch unerheblich“, sagte Krainer. Für ihn gehe es darum, dass ein Nationalratspräsident überparteilich agieren können müsse. "Und der Herr Sobotka kann nicht überparteilich, er kann das nicht. Er agiert wie ein Parteisekretär, in U-Ausschüssen und auch in seiner Funktion als Präsident des Nationalrats."
Da muss Stocker kurz schmunzeln. Weil er an seine eigene Funktion denken muss?
Krainer fährt fort: Es gebe genug untadelige Abgeordnete in der ÖVP, „aber ich werde sicher keine Namen nennen, weil ich will ihnen ja nicht schaden.“
Man müsse Sobotka klarmachen, dass er „am falschen Platz“ sei. „Ganz Österreich weiß es, und in Wahrheit wissen es auch die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP.“
Vertrauen verspielt
Dagmar Belakowitsch, stellvertretende Klubobfrau FPÖ, vertrat Generalsekretär Christian Hafenecker. Sie wies auf den „moralischen Kompass“ hin, der hier zu berücksichtigen sei. Sie öffnete noch einmal Sobotkas Sündenregister. „Weil er sich so verhält, wie er sich verhält“, habe er dafür gesorgt, dass die Bevölkerung wie selten zuvor auf das Amt des Nationalratspräsidenten aufmerksam geworden sei. Das Vertrauen in der Öffentlichkeit habe er jedenfalls verspielt. Sie schlug vor, dass Sobotka zurücktritt und sich nach einer etwaigen Ausräumung der Vorwürfe durch die Untersuchungskommission wieder um das Amt bewerben könne.
Stocker und Krainer diskutierten dann noch übers Entschlagungsrecht. Ob das auch gelte, wenn jemand anderer zu schützen sei. Man fühlte sich wie in einer Verfahrensordnungsdiskussion bei einem U-Ausschuss.
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Alle einig
Konstruktiver wurde es dann im zweiten Teil, als Moderatorin Claudia Reiterer fragte, woran es bei den Live-Übertragungen von U-Ausschüssen noch hake. Hier überraschte Stocker mit der Aussage, dass er überhaupt nichts dagegen habe. Zu klären sei lediglich, wie man Auskunftspersonen schütze, „die nicht so im Fokus der Öffentlichkeit stehen.“
Hier lag plötzlich eine All-Parteien-Einigung in der Luft. Doch sollten die nächsten U-Ausschüsse schon übertragen werden, dann könnte die Öffentlichkeit im Wahljahr einer „Schlammschlacht“ beiwohnen, wie Hoyos sagte. Die Neos stimmten der Einrichtung des „Cofag-U-Ausschuss“ und des „Rot-Blauen-Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss" nicht zu.
Vorgeschmack
Bei „Im Zentrum“ bekam man teilweise einen Vorgeschmack darauf, welche Mätzchen dann (unter dem Vorsitz Sobotkas) gespielt werden könnten. Dabei war der „Mr. U-Ausschuss“ der ÖVP, Fraktionsführer Andreas Hanger, hier gar nicht an Bord.