Kunstmesse TEFAF Maastricht: Das Alte stirbt zuletzt
Das Gemälde „Mädchen in Blau“ von Amedeo Modigliani, das vor kurzem noch in der großen Retrospektive der Tate Modern in London zu sehen war, steht am Stand der Hammer Galerie zum Verkauf. Eine Halskette mit einem 120-Karat-Diamanten, gefasst in Brillanten und Rubinen, ist in einer Vitrine des Juweliers Siegelson aus New York zu bestaunen. Ein echter El Greco ist zu erwerben, und Gemälde von Picasso scheinen in den langen, blumengeschmückten Gängen der Messehalle nicht wirklich eine Rarität zu sein.
Die TEFAF in Maastricht ist jener Ort, an dem Dinge angeboten werden, von denen man dachte, dass es sie eigentlich nicht zu kaufen gibt. Die Messe gilt als der größte und renommierteste Marktplatz für Antiquitäten und alte Kunst – doch da das Publikum für diesen Sektor nicht nachwächst, muss auch die noble Institution jünger und offener werden.
In der heurigen Auflage, in der 40 der insgesamt 279 Aussteller ihr Messedebüt geben, ist dieses Ziel expliziter formuliert als zuvor.
Kurz vor der VIP-Eröffnung am Donnerstag hatte die Ökonomin Clare McAndrew noch ihren Zustandsbericht zum globalen Kunstmarkt veröffentlicht: Lange Jahre hatte sie den Report im Auftrag der niederländischen Messe erstellt, nun tut sie dies im Auftrag des Messegiganten Art Basel und der Bank UBS. Laut McAndrew ist der Altmeister-Sektor – das Stammterritorium der TEFAF – der kleinste Sektor am globalen Kunstmarkt, dessen Gesamt-Umsatz sie für 2018 mit 67,4 Milliarden US-Dollar bezifferte. Für den Altmeister-Auktionsmarkt stellte sie einen Umsatzrückgang von 9% seit 2008 fest. Doch sie fand auch heraus: Die Generation der „Millennials“ kauft zunehmend Kunst.
„Die Jungen leben aber mit moderner Einrichtung – sie nehmen sich ein Stück, das ihnen gefällt und in ihre Wohnung passt“, sagt Guido de Werd, Kunsthistoriker und Mitglied der TEFAF-Jury, zum KURIER. „Da wird auch viel Innendesign mit Kunst gemacht. Man sieht bei der Messe viel weniger alte Möbel als noch vor einigen Jahren.“
Cat Content
Jene, die weiter mit Altmeistergemälden handeln, erweitern ihre Palette teils um Werke, bei denen nicht mehr nur der Name oder der Erhaltungszustand zählt, sondern auch das Sujet: Das Porträt einer Dame mit Kätzchen, gemalt vom kaum bekannten Florentiner Renaissance-Meister Antonio D’Ubertino Verdi, ist etwa der Eyecatcher am Stand von Nicholas Hall, der das Bild um 850.000 US-$ anbietet. In der Inszenierung der TEFAF-Kojen werden generell oft Objekte hervorgekehrt, die sich auch im modernen Kontext gut machen – etwa ein maskenartiges Kopffragment aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. (330.000 €) am Stand des Antikenhändlers Cahn. Auch die Wiener Galerie St. Lucas hat eine modern wirkende, unvollendete Atelier-Ansicht des Franzosen Léon Matthieu Cochereau (1793-1817) im Programm (120.000€).
Die Messe-Organisatoren versuchen die nächste Sammler-Generation allerdings nicht mit derlei Spezialitäten zu fangen, sondern mit einem mitunter skurrilen Mix aus Alt und Neu. Die Galerie Fergus McCaffrey aus New York zeigt in der Sektion für Modernes und Zeitgenössisches etwa den Künstler Barry X Ball, der Skulpturen nach klassischen Vorbildern am Computer generiert und mit Hilfe von Fräs-Robotern anfertigt: Balls in Onyx ausgeführte Version von Michelangelos „Pieta“ dominiert den Messestand (2,4 Mio. US-$), daneben liegt ein pinker „Schlafender Hermaphrodit“ (1,9 Mio. US-$), gefertigt nach dem Vorbild einer römischen Skulptur aus dem Louvre, die ihrerseits schon während der Barockzeit „verbessert“ wurde. Bei Balls Version scheint nun der Penis gewachsen zu sein.
Einige der Neuzugänge auf der Messe sind am Markt für zeitgenössische Kunst alte Bekannte: Etwa die Galerie Max Hetzler aus Berlin, die eine in Marmor gefräste, auf einer klassischen Säule positionierte Überwachungskamera von Ai Weiwei im Programm hat (350.000 €). Oder die Galerie Sprüth Magers, die Keramiken der Künstlerin Rosemarie Trockel zeigt.
Technische Hilfsmittel
Viele der Spezialisten für Altes warten allerdings nicht darauf, dass ihnen die zeitgenössischen Platzhirschen frisches Blut bringen, und werden selbst aktiv: Der Londoner Antiquar David Crouch etwa bietet an seinem Stand an, mittels Virtual-Reality-Brille einen monumentalen Stadtplan von Paris zu überfliegen (das Original auf Papier kostet 35.000 €, man bekommt die VR-App dazu). Der Händler Senger aus Bamberg bietet daneben einen Miniatur-Sarg aus Südtirol um 38.000 € an – wer den Spitzmaus-Sarg mochte, den Regisseur Wes Anderson im KHM ausgrub, wird vielleicht hier schwach werden. Die Sammellust als solche wird aber wohl nicht so bald zu Grabe getragen.