Kultur

Kinder zum Lesen bringen: Mit Vorlesen - und YouTube-Stars

KURIER: Heute ist Welttag des Buches. Der Gesamtmarkt für Bücher ist 2017 um mehr als 2 Prozent gesunken. Ist das ein Alarmsignal – lesen die Menschen nichts mehr?

Thomas Zehetner: Negativübertreibungen sind nie zielführend. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Es ist so, dass die Käuferzahl der Leser immer mehr zurück geht – das sind generelle Tendenzen in anderen Ländern. In Österreich haben wir keine genauen Zahlen . Bei einer Umfrage in Oberösterreich ist herausgekommen, dass mehr als die Hälfte der Erwachsenen praktisch nicht liest. Dieser Trend ist schon einige Zeit zu bemerken.

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Aber an und für sich hält sich das Buch vergleichsweise wacker – bei all den medialen neuen Angeboten und der Smartphonisierung. Plattenlabel wären froh, wenn der Musikkauf annähernd so stabil geblieben wäre.

Das stimmt zum Teil. Aber das zu rosa zu sehen, ist gleichermaßen nicht gut. Das Lesen ist nicht so zyklisch wie die Musik. Dort hat man gesehen, wie schnell es von den physischen Produkten zum Digitalen gehen kann. Als vor fünf Jahren das eBook hochgekommen ist, gab es die Kritik und Sorge, dass das Ende des gedruckten Buches sein wird.

Schaut nicht so aus.

De facto ist es nicht so. In den USA sind die Anteile eher rückläufig. Das gedruckte Buch erlebt dort eine gewisse Renaissance. Im deutschsprachigen Raum gibt es bei eBooks Wachstumsraten – aber bei weitem nicht, wie es in der Vergangenheit war.

Aber eBooks sind für gewisse Anlässe ja überaus praktisch.

Ich lese sowohl als auch. Krimis sehr gerne auf dem eReader, Sach- und Fachbücher nur gedruckt. Und bei Kinderbüchern geht nur das gedruckte Buch – und das ist auch gut so. Es ist für die Gesellschaft notwendig, dass wir die Kinder zum Lesen bringen.

Geht das zurück?

Unserem Gefühl nach ja. Es gibt keine genauen Marktforschungszahlen aus Österreich. Was früher das Fernsehen war, sind jetzt die Streamingdienste. Serienschauen – das fängt schon bei ganz Kleinen an.

Und das Smartphone ist wohl eine Riesenkonkurrenz im Zeitbudget für junge Menschen.

Das Zeitbudget ist enden wollend, das ist über Jahrzehnte konstant geblieben. Die Verteilung ändert sich: Die Internetnutzung geht durch die Decke, und zwar durch alle Altersgruppen. Nicht nur, aber auch bei den Jungen. Der Rückgang des Marktes ist keine einmalige Entwicklung, das geht schon über Jahre so, mit Stagnation oder leichten Rückgängen.

Aber das Lesen selbst hat einen hervorragenden Ruf.

Es fasziniert die Menschen. Die Resonanz, wenn man Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche macht, ist sehr hoch.

Wie reagieren Sie auf den gesellschaftlichen Wandel, gibt es eine Abteilung für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache?

Aktuell nicht.

Wäre das nicht ein guter Markt?

Wir sind uns nicht sicher. Es gibt zu wenige Produkte. Wir haben uns das angeschaut, aber letztlich nicht dafür entschieden.

Aber wie kommt man an die Kinder heran?

Ein Thema ist die Elternförderung – dass man die Eltern dazu bringt, das Lesen zu thematisieren. Und dass man das bietet, was die Kinder ohnehin interessiert.

Was ist das?

Die Influencer, wie sie genannt werden. YouTube-Stars, Instagrammer...

Die sind in der digitalen Welt eh schon megaberühmt. Wozu brauchen die Bücher?

Eine gute Frage. Wir haben solche Titel gehabt, die wirklich viel verkauft haben, wie die von Michael Buchinger oder Viktoria und Sarina.

Was machen die?

Verschiedenstes. Viktoria und Sarina sind vor allem auf YouTube. Und sie haben ein Buch geschrieben.

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Was steht da drinnen, für die, die es nicht gelesen haben?

Es heißt „Spring in eine Pfütze“, und gibt Anleitungen, was man alles tun kann. „Mal diese Seite rot an“, und so. Es ist Zeitvertreib für die Kids. Und es waren tausende Kids da, als die in Wien waren. Man kann sagen, das ist inhaltlich nicht sehr tief gehend. Aber es bringt die Kids dazu, ein Buch in die Hand zu nehmen.

Das war bei „ Harry Potter“ ja auch nicht viel anders: Zuerst wurde das sehr kritisiert, weil angeblich banal.

Wir würden uns freuen, wenn wir noch zehn oder hundert „Harry Potter“ hätten. Gerade die Jugendlichen lesen nur dann, wenn sie es wirklich wollen. „Harry Potter“ war ein Glücksfall. Auch zum Onlinespiel „Minecraft“ gibt es ein Buch. Man könnte fragen: Wozu? Aber ein Buch ist auch für junge Menschen – die Influencer eben – ein Statussymbol, etwas, das man erreicht hat. Und auch ein Dankeschön an die Follower. Solche Themen sind wertvoll für die ganze Branche – und für das Buch an sich.

In Deutschland bleibt der Buchmarkt zwar auch ungefähr stabil, aber die Zahl der Menschen, die Bücher kaufen, ist stark gesunken. Ist das in Österreich auch so?

In Deutschland gibt es laut Börsenverein des deutschen Buchhandels sechs Millionen Käufer weniger. Die Anzahl der gekauften Bücher pro Käufer ist in die Höhe gegangen. Der Buchleser war immer überwiegend weiblich – und wird jetzt älter. Wir müssen etwas für die Jüngeren tun, Bewusstsein schaffen für das Lesen.

Einst galt Thalia als großer Player. Jetzt haben auch Sie einen übermächtigen Gegner – Amazon. Wie geht es Ihnen mit der Konkurrenz?

In den USA gehen auch die reinen Online-Verkäufer wieder in den stationären Handel. Hier ist das Wachstum im Onlinebereich weiter stark, wir schätzen im hohen einstelligen Bereich. Wir haben 15 Prozent Onlineanteil am Gesamtumsatz. Wenn man nur den Buchbereich nimmt, ist Amazon in Österreich wohl ungefähr so groß wie wir, insgesamt ist es ein sehr, sehr mächtiger Player.

Gegen den man sich unter anderem mit einem eigenen eBook-Reader wehrt. Erfolgreich?

Ja. Wir haben für den Tolino eine Buchhändler-Kooperation im deutschsprachigen Raum – und das ist wohl der einzige, in dem Amazon im eBook-Bereich nicht uneingeschränkt mit 80 bis 90 Prozent führt. Die Tolino-Buchhändler haben 40 bis 45 Prozent Marktanteil.

Hintergrund: Der Buchmarkt schrumpft

In Österreich ist der Umsatz mit Büchern 2017 um mehr als zwei Prozent gesunken. Auch die Zahl der Käufer sinkt – so wie in Deutschland: Dort ist die Zahl der Menschen, die Bücher kaufen, in fünf Jahren um sechs Millionen gesunken. Auch die Zahl der Menschen, die mindestens ein Mal pro Woche ein Buch in die Hand nehmen, ist von 49 auf 42 Prozent gesunken. Dafür kaufen die anderen mehr Bücher: Der Markt in Deutschland ist ungefähr stabil. Sorgen macht der Altersschnitt: Die Leser werden immer älter, bei den 14-59-Jährigen gibt es deutliche Rückgänge. Buchhändler wie der heimische Marktführer Thalia wollen dem entgegenarbeiten – ua. mit Veranstaltungen.