Kultur

Josef Bauer im Belvedere 21: Anpacken gegen die Sprachlosigkeit

Dass Künstler gern in die Gräben hinabsteigen, die sich zwischen Bildern, Worten und Dingen auftun, ist keine neue Erkenntnis: René Magritte brachte die Einsicht, dass das Bild einer Pfeife keine Pfeife ist, schon 1929 schulbuchtauglich auf den Punkt. Zahlreiche Künstler folgten ihm, nicht selten illustrierten sie dabei Zeichen- und Sprachtheorien.

Die Bilder und Arrangements, die nun in der ersten Museumsretrospektive des Künstlers Josef Bauer im Belvedere 21 ausgebreitet sind, stehen in dieser Tradition und sind doch anders. Denn der 1934 geborene Oberösterreicher verstand es, in seinem umfassenden, aber nicht breit bekannten Werk besondere Sinnlichkeit unterzubringen. „Mit dem Haptischen, Greifbaren bin ich aufgewachsen“, sagt der Sohn eines Bauern aus dem Raum Wels. „Später ist mir klar geworden, dass die Welt der Sprache die Welt der Dinge benennen muss – diese Spannung hat mich interessiert.“

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Begriffe mit Griffen

Ein „Begriff“ wird bei Bauer im Wortsinn zu einer Sache, die es zu be-greifen gilt: Buchstaben, aber auch Symbole wie Pfeile und Kreuze werden bei ihm in die Höhe gereckt oder tragen Gipsabgüsse der Hände, die sie einst hielten. Zahlen und Buchstaben verselbstständigen sich, liegen über Sessel gebreitet oder in Ecken gedrängt. Und noch bevor Franz West seine heute berühmten „Passstücke“ entwarf, fertigte Josef Bauer sogenannte „körpernahe Formen“ – Skulpturen, die als Halskrause oder Nackenstütze am Körper getragen werden konnten.

Der Dichter Reinhard Priessnitz, der mit West wie mit Bauer befreundet war, gehörte zu den Mittlerfiguren in Bauers Umfeld. Ebenso Gerhard Rühm, der den Künstler, der sich früh für ein Landleben entschieden hatte, in Sprachkunst-Kreisen bekannt machte. Belvedere-Kurator Harald Krejci stellt aber weniger Bauers Verortung in der Kunstwelt als seine Biografie und seinen Bezug zu Österreichs Nachkriegsgeschichte in den Mittelpunkt.

Der Künstler wuchs in der Umgebung des KZ Mauthausen auf – weil der Vater kein NS-Kollaborateur war, wurde ein Grundstück der Familie für die Errichtung des Nebenlagers Gunskirchen abgeholzt. Die „Mühlviertler Hasenjagd“ bekam Bauer als Kind mit, die Gesichter von KZ-Häftlingen brannten sich ein: Sie waren Motiv der ersten Bilder, die Bauer malte.

Im Stillen Ozean

Das Interesse des Künstlers für Sprache ist also vor dem Hintergrund jener Sprachlosigkeit zu sehen, die Österreich nach dem Krieg überzog und die der Schriftsteller Gerhard Roth als den „Stillen Ozean“ bezeichnet hat. Wie der Künstler erzählt, habe er nach Kriegsende seinen Vater gefragt, ob es nun keine Zeitungen mehr geben würde – dass in diesen über etwas anderes als über Krieg berichtet werden könnte, schien dem Elfjährigen undenkbar.

„Schlagstock – Schlagzeile“ heißt nun ein frühes Werk in der Belvedere-Ausstellung, das verdeutlicht, wie die Verbindung von Macht, Gewalt und Sprache bald zum Thema von Bauers Kunst wurde: Es besteht aus zwei teilbemalten Stecken, von denen der eine mit Zeitungspapier umwickelt ist. Überhaupt arbeitet Bauer gern mit Zeitungen – sie werden einmal zur Unlesbarkeit übermalt, dann wieder mit einem großen „E“ aus Metall als Quasi-Skulptur im Stil Richard Serras an die an die Wand gepinnt.

Protest!

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Die Belvedere-Schau bietet einen faszinierenden Schaulauf von ästhetisch klaren und zugleich raffinierten Ideen. Dass Bauer in seinen Werkserien so viele verschiedene Einfälle verfolgte, mag ihm am Markt zum Nachteil gereicht haben: Einen Markenzeichen-Stil, den man sofort mit ihm assoziiert, gibt es kaum.

Am ehesten wiedererkennbar sind seine langen Stäbe, die auf der Spitze in Buchstaben auslaufen – sie waren im Vorjahr in der Wiener Galerie Krobath und in der „1968“-Schau im Linzer Lentos Museum prominent zu sehen. Ihren Hintergrund haben die Objekte einerseits in Bauers Biografie (er war mehrfach er Staatsmeister im Stabhochsprung), andererseits in den Protestmärschen der 1968er: Die dort getragenen Schilder und Transparente erscheinen bei Bauer abstrahiert, ohne klar lesbaren Inhalt, aber mit symbolischer Aufladung.

In einer Fotoserie, in der Bauer die Objekte umherschleppt, kann man außerdem einen kreuztragenden Jesus erkennen. Von der Polit-Demonstration zur Monstranz, mit der zu Fronleichnam Hostien präsentiert werden, ist es von hier nicht mehr weit. Es ist nur einer von vielen Querbezügen, die Bauer in der Welt der Zeichen und Zeigegesten offenbart: Ein hochinteressantes Werk, das es nun in bislang nicht gekannter Breite zu entdecken gibt. Bis 12. Jänner 2020