Kultur

Tom Cruise als wortfauler Rächer

Eigentlich ist Tom Cruise um mindestens 20 Zentimeter zu klein für seine Rolle als „Jack Reacher“. Keinesfalls reicht er an die 1,95 m Körperlänge heran, die dem einsamen Helden aus der „Reacher“-Buchserie von seinem Schöpfer, dem Briten Lee Child, zugeschrieben wurde. Doch Cruise – klein, aber stramm – übernimmt das Format des wortfaulen Rächers mit der Anspruchslosigkeit des Freizeitstars. Lässig schiebt er seinen nackten Oberkörper ins Bild und irritiert damit die blonde Anwältin solange, bis sie ihn anzischt, er möge endlich sein T-Shirt wieder anziehen.

Ohnehin ist „Jack Reacher“, der Film, trotz seines bestürzend realistischen Anfangs eine halb-heitere Angelegenheit aus dem Geist der Macho-Pulp-Fiction. Ein kleiner, leicht trashiger Film noir, den jemand zu Blockbustergröße aufgeblasen hat. Amüsant, aber auch nervend, spannend, aber auch sehr vorhersehbar. Ein sorgfältig gefilmtes Hochglanzprodukt mit schwerem Kitscheinschlag. Und die Dialoge sind teilweise so pseudo-hart, dass man kichern könnte.

Es beginnt mit einem scheinbar klaren Fall: Ein Sniper positioniert sich in einer Parkgarage und erschießt fünf Passanten. Er wird geschnappt und überführt. Anstelle eines Geständnisses schreibt er nur einen Satz: „Bringt mir Jack Reacher“. Ab dann wird’s kompliziert.

Einzelgänger

Während sich der gesamte Polizei-Apparat von Pittsburgh daran macht, den geheimnisvollen Reacher auszubaldowern, spaziert dieser entspannt in Gestalt von Tom Cruise zur Tür herein. Reacher, Ex-Militär, kämpft nun als Einzelgänger und kommt der blonden Anwältin zu Hilfe. Die bekommt vor lauter Staunen den Mund nicht mehr zu. Eine undankbare Rolle für Rosamund Pike, die versucht, dem Ausdruck der Verblüffung mehrere Gesichter zu geben. Auch Regisseur Werner Herzog liefert unglaubliche Auftritte als Obergangster mit Glasauge ab. Mit schwerstem Teutonen-Akzent erzählt er, wie er sich im Gulag die Finger abgekaut (!) hat. Als sich daraufhin einer der Ganoven weigert, den eigenen Daumen abzubeißen, wird er erschossen. Aber es gibt auch formidable Kampfszenen und eine famose Autoverfolgungsjagd. Und gegen Ende, wenn alles schon etwas zäh wird, taucht zur Belohnung Robert Duvall auf. Tom Cruise ist sichtlich erfreut, seinen Partner aus „Tage des Donners“ wieder zu sehen. Und dieser eilt ihm auch gleich zu Hilfe – als Scharfschütze mit Sehbehinderung.

KURIER-Wertung: *** von *****

INFO: Thriller, USA 2012. 130 Min. Von Christopher McQuarrie; Tom Cruise, Rosamund Pike.

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Mit Mitte 30 nach Hause zu den Eltern zurückzuziehen, gilt landläufig als Niederlage. Nicht so für Pat Solitano. Zwar muss auch er wieder ins Kinderzimmer übersiedeln, allerdings direkt aus der Psychiatrie. Für einen Mann mit psychischer Erkrankung, einer gescheiterten Ehe und einer ruinierten Karriere ist das Elternhaus daher ein Fortschritt. Und Pat ist wild entschlossen: sein Leben in den Griff zu bekommen, die Liebe seiner Ex-Ehefrau zurückzugewinnen und jeden Tag mit einem schwarzen Müllsack zu joggen – weil man dabei mehr Kalorien verliert.

Nun sind Menschen mit psychischen Störungen nicht unbedingt Stoff für Komödie. Doch David O. Russell presst den maximalen Humorwert aus dem Dialog zwischen zwei (Ex-)Depressiven, die sich im verbalen Schlagabtausch mit den Nebenwirkungen ihrer Medikamente befeuern. Bradley Cooper als rekonvaleszenter Psycho-Freak Pat lässt vor allem im ersten Teil der Komödie die düsteren Seiten seiner Manie aufblitzen. Wenn er hysterisch plappernd um drei Uhr morgens seine geduldigen Eltern (herrlich altersmild: Robert De Niro) aus dem Bett scheucht, dann wird die Komik der Lage zum Zerreißen gespannt.Wenn er dann auch noch die morbide, nymphomanisch angehauchte Witwe Tiffany (toll: Jennifer Lawrence) kennenlernt, bekommt das Vorstadt-Leben einen Hauch von Horror.

Doch so sehr Russell auch mit den Abseitigkeiten von Normalität spielt – zuletzt schlagen doch die Konventionen der romantischen Komödie zu. Und diese ist, so liebenswürdig sie daherkommt, stark kalkuliert: Jeder darf ein bisschen schräg sein, aber der Schoß der Familie heilt alle Wunden.

KURIER-Wertung: **** von *****

INFO: Tragikomödie, USA 2012. 122 Min. Von David O. Russell; mit Bradley Cooper, Jennifer Lawrence.

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Die Nacht verbringt Mark O’Brien in der Eisernen Lunge, die Tage auf einer Rollstuhl-ähnlichen Bahre. Er leidet an den Folgen von Kinderlähmung – und Sex hatte er bisher auch keinen.

Behindertengerechter Sex mit einer Therapeutin – das kann als Komödie leicht ins Auge gehen. Doch Regisseur Ben Lewin geht gefühlvoll-behutsam, sanft-ironisch und einen Hauch zu Drehbuch-lastig verquatscht an das heikle Thema heran. Helen Hunt als menschenliebende Sex-Therapeutin schwingt sich beherzt auf ihren Klienten und übt mit ihm Geschlechtsverkehr mit Penetration. William H. Macy zeigt als langhaariger Pfarrer volles Verständnis für die Bedürfnisse seines Beichtkindes. Und John Hawkes spielt seinen Bewohner der Eisernen Lunge selbstmitleidslos.

KURIER-Wertung: **** von *****

Info: Tragikomödie, USA 2012. 98 Min. Von Ben Lewin. Mit John Hawkes, Helen Hunt, William H. Macy.

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"The First Rasta"

Doku In ihrer sehr eigenwilligen und durchwegs subjektiven Doku erzählt die französische Journalistin Hélène Lee von der Entstehung der Rastafari-Bewegung. Im Zentrum steht dabei der Jamaicaner Leonard Percival Howell.

KURIER-Wertung: **** von *****

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"Winternomaden"

Doku Die Schafe heißen Lulu, Marcel und Kiwi und marschieren in einer Herde von 800 Tieren durch die französische Schweiz. Umsorgt werden sie von Schäfer und Schäferin, zwei Menschen, die man klassisch als Aussteiger bezeichnen würde. Im wilden Schneetreiben schlagen sie auf unwegsamem Gelände ihre Zelte auf und feiern Weihnachten am Lagerfeuer. Manuel von Stürlers berührende Doku verfällt trotz wunderschöner Bilder nie in den Naturkitsch; zu beschwerlich ist das Leben auf dem Land. Und über allem schwebt eine sanfte Trauer: Denn Lulu, Marcel und Kiwi werden nacheinander abgeholt – und zum Schlachthof gebracht.

KURIER-Wertung: **** von *****

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