Katrina Daschner von FC Gloria: "Ohne Quotenregelung ändert sich nichts"
Von Alexandra Seibel
Eigentlich feiert FC Gloria heuer ein Jubiläum. Seit zehn Jahren gibt es den Verein „FC Gloria – Frauen Vernetzung Film“, der 2010 von Frauen gegründet wurde und sich für Geschlechtergerechtigkeit in der heimischen Filmbranche einsetzt.
„Das Jubiläumsfest wird im Sommer nachgeholt“, verspricht Katrina Daschner, bildende Künstlerin und Filmemacherin. Sie ist Mitglied des 20-köpfigen Vorstands von FC Gloria, zu dem unter anderen Filmemacherinnen wie Barbara Albert und Katharina Mückstein, Produzentin Gabriele Kranzelbinder, Drehbuchautorin Sandra Bohle oder Schnittmeisterin Mona Willi zählen.
Auch die Verleihung der FC Gloria Filmpreise, die heuer das zweite Mal vergeben werden, musste Corona-bedingt ins Netz verlagert werden (siehe Info). Katrina Daschner führt bei der Preis-Gala Regie und hat zudem die Preisskulptur – eine geballte Faust – entworfen.
KURIER: Frau Daschner, Freitag Abend verleiht der Verein FC Gloria zum zweiten Mal Filmpreise an Frauen, die innerhalb der Filmbranche tätig sind. Warum braucht es einen speziellen Preis für Frauen?
Katrina Daschner: Die Idee dieser Filmpreise ist es, mehr Sichtbarkeit für Frauen in der Filmbranche zu schaffen. Dabei geht es auch um die Sichtbarkeit der vielfältigen, großartigen Arbeiten von Frauen, die nach wie vor weniger gewürdigt werden und finanziell auch nicht adäquat abgegolten werden. Es werden immer noch vorwiegend Männer im Filmgeschäft wahrgenommen, und natürlich werden auch Filme von Männern nach wie vor höher gefördert.
FC Gloria fordert daher auch eine Quotenregelung in der Filmförderung?
Auf jeden Fall. Wir treten für eine Fifty-fifty-Quote ein, weil sich sonst einfach nichts verändert. Es bleibt sonst immer der gleiche Boys Club, der sich gegenseitig die Gelder zuschanzt. Und weil es immer heißt, von Frauen kommen bei der Filmförderung weniger Einreichungen: Wenn Produktionsfirmen, die um Fördergelder ansuchen, sich nach Quoten richten müssten, gäbe es auch viel mehr Einreichungen von Frauen.
Quotengegner behaupten gerne, dass durch einen Quotenzwang die künstlerische Qualität beeinträchtig werden könnte.
Das ist absurd. Wir leben seit Jahrhunderten mit Quoten, nur, dass es sich eben um Quotenmänner handelt. Und jetzt, wo es um die gerechte Aufteilung der Fördergelder geht, ist die Quote plötzlich ein Problem. Was mich an der Quotenfrage auch so aufregt, ist der Umstand, dass immer so getan wird, als müsste man noch mehr Statistiken auswerten oder noch genauer hinschauen, um zu sehen, wo das Problem liegt. Da geht es nur darum zu verhindern, dass die Gelder gleichberechtigt verteilt werden.
FC Gloria steht auch für „Frauen Vernetzung Film“. Ist Vernetzung im Filmbereich besonders wichtig, weil es ja auch eine kollektive Arbeit ist?
Feministische Vernetzung ist generell absolut wichtig, aber natürlich auch ganz besonders im Filmbereich. Film ist Teamwork, und je mehr Frauen sich untereinander kennen, desto eher können sie sich gegenseitig weiterempfehlen. Unter Männern ist das absolut üblich, sich gegenseitig Jobs zuzuschanzen. Frauen werden dahingehend weniger sozialisiert, für sie ist es nicht so eine Selbstverständlichkeit. Daher sollten sie sich bewusst dafür entscheiden.
Es gibt ja sogar das gegenteilige Klischee, dass Frauen sich untereinander alles neiden.
Ich halte das für eine Projektion von außen. Und es ist eine gute Strategie des Patriarchats, Frauen möglichst klein zu halten. Das Besondere an FC Gloria ist auch, dass es keine Interessensvertretung von nur einer Sparte – beispielsweise nur von Regisseurinnen oder nur von Setdesignerinnen – ist, sondern für alle Frauen in der Filmbranche steht. Der Gedanke der Allgemeinheit und der Vielfalt herrscht vor.
FC Gloria bietet ein Mentoringprogramm an, um die Vernetzung unter den Frauen zu verstärken. Wie sieht das konkret aus?
Es geht darum, sich gegenseitig zu unterstützen, zu fördern und Wissen weiter zu geben. Das muss nicht unbedingt eine ältere Generation sein, die sich um eine jüngere kümmert, sondern kann auch umgekehrt stattfinden: Eine ältere Person lernt von einer jüngeren spezielle Skills, etwa in Bezug auf neue Technologien.
Sie selbst haben so ein Mentoring-Programm auch durchlaufen?
Ja, meine Mentorin war die Filmemacherin Veronika Franz (Regisseurin von „Ich seh Ich seh“ und „The Lodge“, Anm.). Ich selbst komme ja aus dem Experimentalfilmbereich und habe mir damals überlegt, auch einen Spielfilm zu machen. Da war es eine tolle Gelegenheit, eine Mentorin zu haben, die in diesem Feld zu Hause ist und ihr Wissen sehr generös weitergibt. Wir sind gemeinsam mein Treatment durchgegangen und sie hat mir dramaturgischen Input gegeben. Am Ende bin ich zu dem Schluss gekommen, dass der narrative Film doch nicht so meine Welt ist. Ich komme selbst aus der Bildenden Kunst und denke nicht in Geschichten. Sie engen mich ein. Am Ende des Tages ist dann doch wieder ein experimenteller Dreiteiler – „Bodies of Water“ – entstanden (lacht). Aber ich habe extrem viel gelernt.
Hat sich das Mentoring-Programm auch in der täglichen Arbeit bewährt?
Auf jeden Fall. Ich habe viele andere in diesem Programm kennengelernt, die ich – apropos Vernetzung – beruflich empfehlen kann. Da geht es auch nicht um spezielle Freundschaften, sondern einfach um die Sache.
FC Gloria hat auch eine Initiative, die sich „See it – Be it“ nennt. Um was geht es da?
Das ist ein großartiges, neues Bildungsprogramm. Es wurden Unterrichtsmaterialien erstellt, mit denen man direkt in (Berufs-)Schulen gehen und Workshops anbieten kann. Mädchen und jungen Frauen werden verschiedene, auch technische Berufe vorgestellt, die es im Film gibt und die nicht so selbstverständlich bekannt sind wie Regisseurin oder Schauspielerin. Wenn ein Mädchen nicht weiß, dass es den Beruf der Oberbeleuchterin oder Tonmeisterin gibt, kann es auch diesen Berufswunsch nicht entwickeln. Es geht also um Nachwuchsförderung und darum, das weite Spektrum an Berufsbildern im Film zu zeigen.
Eine weitere Forderung von FC Gloria ist die Familienfreundlichkeit.
Genau. Es geht darum, zum Beispiel für Kinderbetreuung am Set zu sorgen und diese Kosten bereits ins Budget für den Film hinein zu rechen – in Skandinavien wird das beispielsweise so praktiziert. Bei uns hat man das bislang privat zu regeln. Ich habe keine Ahnung, wie das gehen soll, wenn man an einem sechswöchigen Dreh mitarbeitet und zu Hause kleine Kinder hat. Der Beruf im Filmbereich ist immer noch oft auf Männer hin konzipiert, die zu Hause eine Frau haben, die für die Familie sorgt. Das kennt man ja von den diversen Dankesreden, die Männer bei Preisverleihungen halten: „Ich danke meiner Frau, dass sie mir den Rücken freigehalten hat“ (lacht).
Heute Abend kann man die Preisverleihung auf einem Onlinestream ansehen. Was ist zu erwarten?
Eine glamouröse Filmgala, die viel Spaß macht – mit tollen Preisträgerinnen und Reden.
INFO: Die Preisgala kann am Freitag, ab 19.00 Uhr unter www.fc-gloria.at/fc-gloria-filmpreis-2020 abgerufen werden
Katrina Daschner, geboren 1973, wuchs in Hamburg auf. Sie kam 1995 nach Wien und studierte an der Angewandten bei Brigitte Kowanz in der Klasse für Transmediale Kunst
Daschner ist Künstlerin und Filmemacherin und gründete mehrere Performance Salons. Zuletzt hostete sie den queeren "Club Burlesque Brutal“ (2009-2014) im brut Theater. In ihren Arbeiten, die sie international in Ausstellungen und bei Filmfestivals zeigt, beschäftigt sie sich u.a. mit (genderspezifischen) Machtstrukturen und der Darstellung von queerer Sexualität sowie dem Transfer von Bühnensprache in den Ausstellungs-und Filmkontext.
Für ihren Kurzfilm „Pferdebusen“ erhielt sie 2017 den „Diagonale Preis für Innovatives Kino“.
Ihr neuer Film "Hiding in the Lights" hätte auf der diesjährigen Diagonale, die Corona-bedingt abgesagt werden musste, seine Premiere gefeiert