Interview: André Heller über Qualtinger
Von Guido Tartarotti
Der Film "Qualtinger" läuft am Sonntag den 25. September (23.05 Uhr) auf ORF2.
KURIER: Wie ist es, einen Film über einen verstorbenen Freund zu drehen?
André Heller: Ich habe mich den ganzen Sommer über mit dieser Dokumentation beschäftigt. Gleichzeitig war das eine sehr belastende Zeit durch die "Magnifico"-Tragödie, bei der ich mich vom Produzenten der Show um die Früchte einer besonders gelungenen Arbeit betrogen fühlte. Vormittags habe ich den Medien die traurigen Tatsachen erklärt und mich immer wieder mit meiner Gekränktheit herumgeschlagen und nachmittags und abends bin ich quasi in den Schneideraum emigriert zu Qualtinger und seiner umfassenden Qualität. Ich hab mich auch daran erinnert, dass er mir einmal sagte: "Wenn man entspannt das viele Gute nimmt, sollte man das gelegentliche Schlechte auch entspannt nehmen." Das hat mir bald die Raunzerei ausgetrieben.
Qualtinger wurde ja nur 59 Jahre alt.
Ich bin jetzt 64 und erkenne immer wieder erstaunt, wer aller in meinem Alter schon tot war. Von Josef Roth über Hemingway bis eben zu Qualtinger und vielen meiner kostbarsten Freunde.
Alles Trinker.
Leider ja und durchwegs empfindsame Wesen und dämonenintensive Untergeher wie der Oskar Werner oder der Friedrich Heer.
Sie gehen im Film behutsam mit dem Thema Alkoholismus um. Qualtingers Sohn sagt: Je älter er wird, desto mehr könne er verstehen, warum man trinkt.
Christian Qualtinger ist wahrlich aus einer Rippe vom Helmut geschaffen, blitzgescheit, hoch originell und unangepasst.
Kennen heutige Generationen Qualtinger noch?
Der letzte Anstoß zu dem Film kam von meinem Sohn, der fragte: "Was hat dieser Qualtinger eigentlich geleistet außer dem ,Herrn Karl'?" Immerhin wurde die DVD im Unterricht der amerikanischen Schule in Wien vorgeführt. Ich wünschte, derlei wäre auch in jeder österreichischen Schule selbstverständlich! Meine Antwort war: Qualtinger war unter vielem anderen der Chefpsychohygieniker von Österreichs ungewaschener Seele in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Mein Film versucht, diese Biografie mit ihren lichten Höhen und bitteren Verwerfungen sorgfältig zu erzählen.
Wie war Qualtinger privat, wenn der Chefpsychohygieniker Pause hatte?
Er war auch dann ein Meister der Zwischentöne, ein sprachmächtiger, mitfühlender Ermutiger. Er bemühte sich, der Verlogenheit, dem Opportunismus, der Menschenverachtung eine Genauigkeit und unzynische Engagiertheit entgegenzustellen. Aber er war auch der amüsanteste und aberwitzigste Zeitgenosse.
Ihr Film zeigt einen Menschen, nicht nur einen Alkoholiker.
Erika Pluhar sagt im Film richtig: Sein Trinken hatte ja einen Grund. Wahrscheinlich die Kluft zwischen dieser innerlich schlanken, gedankeneleganten, liebevollen, herzensgebildeten Figur und den Missverständnissen und Klischees, die sich um die äußere Person rankten.
Was ist von ihm geblieben?
Sein vielfältiges, hoch originelles Werk und die Anregungen und Qualitätsmaßstäbe, die er anderen Kreativen von Thomas Bernhard über Turrini und Jelinek bis Josef Hader und vielen, vielen anderen gab. Er hat hochwirksam als Erster den selbstbetrügerisch Verdrängungssüchtigen in allen Lagern der Zweiten Republik den Spiegel vorgehalten und erntete einen Wut- und Empörungstsunami, der sich derart massiv erst wieder zwanzig Jahre später wegen Waldheim einstellte.
Was bleibt Ihnen persönlich von Helmut Qualtinger?
Dankbarkeit. Er hat mir, als ich blutjung war, gesagt: "Dich darf es auf deine merkwürdige Art geben! Probier dich aus! Du darfst dich irren!" Diese Wahrheiten sollte man an den Schulen lehren. Sie sind kluge Lebenshilfen. Stellen Sie sich vor, wenn etwa ein Bundeskanzler unverkrampft sagen würde: "Ich habe mich geirrt und habe dazugelernt und bin heute klüger als vor einem halben Jahr." Derlei mutige Einbekenntnisse sind doch seltener als Marienerscheinungen.
Zur Person: Neues Buch über "Quasi"
Leben: Helmut Qualtinger kam 1928 zur Welt und starb vor 25 Jahren, am 29. 9. 1986. Er war Satiriker, Schauspieler, und auch KURIER-Kolumnist.
Buch: Der Autor Georg Biron porträtiert Qualtinger und
erzählt die Geschichten hinter seinem berühmten "Herrn Karl": "Quasi Herr Karl", Verlag Braumüller (24,90 €).
Vorausgesehen: "Qualtinger"
Es gibt von Helmut Qualtinger erstaunlicherweise wenig vollständiges Archivmaterial. Heller macht aus der Not eine Tugend und montiert viele Splitter von und über den großen Satiriker und Schauspieler zu einem bunt schillernden Mosaik - das letztlich doch ein genaues Bild von Helmut Qualtinger ergibt. Besonders anrührend: Das Statement von Josef Hader, der Qualtinger nicht kannte, aber wie dessen Fortsetzung mit anderen Mitteln wirkt.
KURIER-Wertung: ***** von *****
INFO: Doku, Sonntag, 25. September, 23.05, ORF 2 Ö, 2011. Von und mit André Heller. Mit Helmut Qualtinger, Christian Qualtinger, Leomare Qualtinger, Vera Borek, Gerhard Bronner, Erni Mangold, Erika Pluhar, Josef Hader und vielen anderen.
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