Kultur

"Inferno": Mickey Mouse kehrt zurück

Ihr, die ihr hier eintretet: Lasst alle Hoffnungen fahren (Göttliche Komödie, Höllentor).
Zumindest jene Hoffnung, dass man den Dienstag weltweit erschienenen Mystery-Thriller „Inferno“ gleich wieder mit spitzen Fingern weglegen kann.

Wenn sich nämlich jemand – wie Dan Browns Held, der US-Symbolforscher Robert Langdon – mehr darüber aufregt, dass seine Mickey-Mouse-Armbanduhr verschwunden ist als über das Schussattentat auf ihn ... dann sollte man diesem Mann lieber rasch aus dem Weg gehen. Aber nein, „Inferno“ ist spannend. Rasant und spannend. Mit Unterbrechungen.

104 Kapitel plus Prolog plus Epilog – der Roman ist zu lang, keine Frage. Es wäre wirklich nicht notwendig gewesen, dass der millionenschwere Bestsellerautor – abgesehen von seinen lexikalischen Ausführungen zur Kunstgeschichte von Florenz, Venedig und Istanbul – auch noch die Graffitis in einer Mobiltoilette beschreibt.
Jedoch, „Inferno“ funktioniert.
Trotzdem.
Erstaunlich.

Der Pestgeruch

Dan Brown gebraucht Dante und das Höllengemälde Botticellis („Mappa dell’Inferno“) und einen Dogen und die Hagia Sophia. Und warum tut er das alles? Damit diesmal die Welt vor Viren gerettet werden kann.

Es geht um Überbevölkerung. Um die Frage, ob man nicht die Hälfte der Menschen loswerden sollte, damit die andere überleben kann. Ein grünäugiger Kerl, der manchmal mit Schnabel statt Nase auftritt, hat schreckliche Ideen.

Es weht Pestgeruch durch den Roman. Robert Langdon, den man sich bestens als Harrison Ford vorstellen kann (der aber in zwei Filmen von Tom Hanks gespielt wurde), ist in Florenz.

Und weiß nicht, warum. In seiner blutverschmierten Jacke ist ein Röhrchen eingenäht, und er kann sich auch daran überhaupt nicht erinnern. In dem Röhrchen ist ein dreiköpfiger Teufel, aus einem Knochen geschnitzt. Und noch ein Röhrchen ... mit einem äußerst kleinen Diaprojektor.

Man befindet sich schließlich nicht mehr im Mittelalter, sondern ist hochmodern.
Mit dem Diaprojektor kann man verwirrende Buchstaben an die Wand projizieren (wenn’s sein muss, sogar auf der Mobiltoilette mit den Graffitis): CATROVACER.

Und so geht die Schnitzeljagd, die zu den Viren (im blutroten Wasser) führen soll, weiter: Was ist Paradiso 25? Warum ist die Karte von Armenien im Palazzo Vecchio derart wichtig? Was verbirgt sich hinter PPPPPPP? Wieso steht auf Dantes Totenmaske „besessen“?

Robert Langdon wird verfolgt. Man kennt sich nicht aus, wer zu den Guten und zu den Bösen gehört. Ist Amerika böse? Das italienische Militär? Sind es die Leute auf einem Schiff in der Adria, die sich sogar zwei Raketenabwehrsysteme an Bord leisten können? Die WHO-Präsidentin mit dem silbergrauen Haar meint es bestimmt nicht schlecht. Etwas benebelt wirkt sie halt.

„Nur“ eine etwa 30-jährige, fesche Frau steht zu Langdon. Hoffentlich tut sie das. Eine Krankenhausärztin. Ihr Pferdeschwanz pendelt so schön (findet Dan Brown). Aber sie trägt Perücke. Und sie hat einen IQ, weit über 200. Das lässt Schlimmes befürchten.

Keine Sorge, mehr wird an dieser Stelle im KURIER nicht verraten.

Die Botschaft

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Ein schöner Satz noch aus dem Buch. Er ist die Botschaft, die Dan Brown wichtig zu sein scheint:
„Die heißesten Orte der Hölle sind reserviert für jene, die in Zeiten moralischer Krisen nicht Partei ergreifen.“ Das ist von Dante, nicht von Dan Brown.

Und ein nicht so gänzlich gelungener Satz: „Der Grundpfeiler für den Erfolg des Konsortiums war Kompartmentalisierung.“

Jawohl, der ist eindeutig von Brown.

PS: Am Ende bekommt Robert Langdon seine Mickey-Mouse-Uhr zurück. Hat er sich verdient.

INFO: Dan BrownInferno“. Übersetzt von Rainer Schumacher und Axel Merz.Lübbe Verlag. 688 Seiten. 26 Euro. Ab Dienstag im Handel erhältlich.